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Nun ist es amtlich: Der Bundesgerichtshof hat es Amazon verboten, Google-Anzeigen auf Suchanfragen wie „Ortlieb Fahrradtaschen“ zu schalten, die dann zu Angeboten von anderen Herstellern auf Amazon führen (hier Meldung nachlesen). Das kommt nicht ganz überraschend. Ist es auch schwer, eine Argumentation zu finden, die diese Praxis rechtfertigen kann: Nicht nur Deutschland, sondern alle hochentwickelten Volkswirtschaften nehmen den gesetzlichen Schutz von Markenrechten sehr ernst, weil sie ein Kernelement des Kapitalismus bilden. Wo kämen wir denn sonst dahin, wenn jeder mit „Porsche“ werben dürfte, um Opels zu verkaufen? Und sagen wir es mal so: Ich möchte sehen, wie lange Amazon tatenlos zuschauen würde, wenn ein Hersteller von No-Name Lesegeräten Google-Anzeigen auf „Kindle“ zu buchen versuchte…
Ja, solche Raub-Anzeigen stellen schon – auf gut Hamburger Kaufmännisch gesagt – ein fragwürdiges Geschäftsgebaren dar. Ortlieb muss sich wehren können, wenn seine Markenrechte derart beschnitten werden und es ist nur zu begrüßen, dass der Bundesgerichtshof der Firma endlich Recht gegeben hat.
Ortlieb sieht dieses Urteil allerdings bestimmt als eine Art ‚Etappensieg‘ in seinem Kampf gegen Amazon an – und gerade das ist problematisch. Denn der kleine Premiumhersteller aus der schwäbischen Provinz möchte nichts, aber rein gar nichts mit Amazon zu tun haben und versucht seit Jahren seine Ware partout von der Plattform fernzuhalten beziehungsweise runterzubekommen: „Seit 2011 müssen Fachhändler, die Beutel und Rucksäcke vertreiben wollen, zudem eine Vertragsklausel unterschreiben. Sie dürfen die Ware nicht auf digitalen Marktplätzen wie Amazon anbieten. Wer wiederholt dagegen verstößt, fliegt raus,“ berichtete die ZEIT (29/2019, kostenpflichtig). Es ist der nachvollziehbare Versuch, den Vertrieb exklusiv zu halten und damit dem Preissog und der Beliebigkeit zu entkommen. Es ist aber ein zum Scheitern verurteilter Versuch.
Klar, Amazon darf jetzt nicht mehr mit dem Markennamen Ortlieb als Lockvogelware im Netz hantieren. Was Ortlieb aber gar nicht verhindern kann, ist, dass Kunden, die schon bei Amazon sind und in der konzerneigenen Sucheingabe nach dem Markennamen suchen, auch andere Produkte angezeigt bekommen. Das, haben Gerichte geklärt, ist nach wie vor zulässig – genau wie es zulässig ist, dass ein stationärer Fahrradhändler, der ebenfalls kein Ortlieb listen darf, Kunden, die sich im Laden nach dieser Marke erkundigen, auf Fahrradtaschen anderer Hersteller aufmerksam macht, bevor sie wieder rausgehen.
Das Problem für Ortlieb ist: Es suchen und kaufen verdammt viele Leute bei Amazon Produkte. Nach wie vor wird schätzungsweise jeder zweite Euro, der im Online-Handel in Deutschland umgesetzt wird, bei Amazon ausgegeben. So werden entsprechend viele Kunden einerseits von frechen Fachhändlern unautorisiert reingestellte beziehungsweise andererseits vom Konzern irgendwie verschaffte und gelistete Ortlieb-Produkte auf Amazon vorfinden und kaufen oder, schlimmer noch: Sie werden Produkte von anderen Marken kaufen, die auf Amazon eine gute Präsenz haben.
Das ist für Ortlieb eine reine lose-lose-Situation. Entweder kaufen die Kunden ohne die fachliche Beratung, die Ortlieb ihnen zuteil lassen werden möchte und ohne, dass der Hersteller durch den Kauf den direkten Kontakt zu ihnen aufbauen kann, oder sie kaufen eben gar keine Ortlieb-Taschen.
Insofern wird sich bald zeigen, dass der Sieg über Amazon vor Gericht zwar fulminant und umfassend war, dass er aber am Verlauf des Krieges wenig ändert, weil er eben auf einem Nebenschauplatz stattfand. Für meine Begriffe kämpft Ortlieb auf verlorenem Posten.