in Amazon Toolbox, Analyse

Schön, dass Sie sich wieder zur Behandlung bei uns einfinden! Viele brechen nämlich bereits nach der ersten Sitzung ab, weil die Nebeneffekte so unangenehm ausfallen. Auch die zweite Verabreichung kann es in sich haben. Dabei kann ich zumindest die Apotheker jetzt beruhigen: Das Schlimmste haben Sie jetzt hinter sich! Und nachdem dieser Blick in die Zukunft für diejenigen besonders schmerzhaft ausgefallen ist, die vorwiegend mit dem stationären Handel von Arzneimitteln versuchen, Geld zu verdienen, müssen jetzt andere Akteure im Gesundheitssystem die Zähne zusammen beißen.

Denn Stand 2025 hat Amazon nicht nur Verwerfungen im Medikamenten-Markt verursacht, sondern diesen regelrecht aufgerollt. Wir befinden uns seit 2022 in einer liberalisierten Umgebung, in dem sich Deutsche weitestgehend ohne Gang zu einem der wenig verbliebenen stationären Apothekern mit Arzneimitteln versorgen dürfen – und dieses auch gern tun. Bereits im Frühjahr 2019 brachte sich Amazon in Deutschland mit diversen Personalien in Stellung, damit es pünktlich zur Aufhebung des Fernhandelsverbots von verschreibungspflichtigen Medikamenten durch die aus der Bundestagswahl 2021 hervorgegangene Koalition loslegen konnte. Vor allem chronisch Kranke haben Dienste wie automatischer Nachschub und Alexa schätzen gelernt. Neue Amazon-Health-Produkte, die Anfang der 2020er als MVP mit MedTech-Start-ups auf den US-Markt gebracht wurden, werden nun nach und nach in Deutschland gelauncht.

Auch viele ältere Patienten sind von den Leistungen Amazons begeistert. Die 80-Jährigen von 2025 waren nämlich Anfang der 2000er die ersten ‚Silver Surfer‘: eine ganze Rentnergeneration hat schon seit 10 Jahren Smartphones und findet – nun, da sie zunehmend schlecht sieht und das Gedächtnis nachlässt – nichts dabei, Alexa zu fragen, welche der zwei Pillen in dem Umschlag „Dienstag“ gleich nochmal vor dem Mittagessen einzunehmen ist…

Soviel zur Ausgangslage 2025: Was unternimmt das nunmehr weltgrößte Unternehmen (dessen Gründer Jeff Bezos übrigens zum Anfang des Jahres abdankt, da er Ende Januar als US-Präsident eingeschworen wird) als nächstes im angesichts des fortschreitenden demografischen Wandels nach wie vor höchstattraktiven Gesundheitssektor?

i) Amazon verstärkt das B2B Pharma Business und beliefert Krankenhäuser und Praxen.

Nachdem es sich den B2C-Arzneimitttelhandel mit ein paar europaweit aktiven Pure-Playern mehr oder minder vollständig aufgeteilt hat, entschließt sich Amazon dazu, durch die Belieferung von Gewerbekunden neue Zielgruppen zu erschließen. Schließlich ist der Konzern mit Amazon Business mittlerweile seit bald 10 Jahren in Deutschland vertreten. Die Position im B2B-Handel ist entsprechend stark. Und: Aufgrund des steigenden Kostendrucks im Gesundheitssystem – die Babyboomer werden nun gebrechlich und deren immer teureren Behandlungen müssen von einer stark abnehmenden Erwerbsbevölkerung bezahlt werden – und aufwändiger Beschaffungsprozesse ist ein Kooperation mit Amazon Business für Krankenhäuser besonders attraktiv. Mit Lösungen wie die bereits in den USA verbreiteten Dash-Buttons sowie predictive purchasing auf Basis von historischen Verbrauchsdaten hilft Amazon, den hektischen Klinikalltag etwas entspannter zu machen. (Dass die Preise unschlagbar günstig sind, muss man wohl nicht extra erwähnen.)

ii) Amazon steigt in den Markt der privaten Krankenkassen ein.

Bereits im Januar 2018 gründeten Amazon, Berkshire Hathaway und J.P. Morgan Chase eine Krankenkasse für die eigenen Mitarbeiter. Zudem gingen sie ein Bündnis ein, die sich mit der Digitalisierung vom US-Gesundheitsmarkt befasst. Es handelt sich immerhin um einen im internationalen Vergleich sagenhaft ineffizient organisierten Sektor, der 16% des US-amerikanischen Bruttoinlandsprodukts verschlingt – und indem es sich einige Anbieter mit sehr hohen Margen äußerst bequem eingerichtet haben. 2025 betreibt dieses Bündnis schon erste eigene Krankenhäuser in Metropolen wie New York und Los Angeles. Ein Flaggschiff-Hospital wird demnächst in Sichtweite vom Amazon-Sitz in Seattle eröffnet.

Obwohl der Gesundheitssektor in Deutschland vergleichsweise effizient aufgestellt ist, hüben wie drüben weiß Amazon die Trägheit in der privaten Krankenversorgung auszunutzen. Und die kleinteilig organisierten deutschen PKV haben die Entwicklungen der letzten Jahre verschlafen. Jüngere Kunden machen sich kundig und lassen sich immer seltener mit Lockprämien ködern. Schließlich sehen sie, wie ihre Eltern nun mit dem Renteneintritt plötzlich vierstellige Summen an ihre privaten Versicherer überweisen müssen und dabei komischerweise viele neue Medikamente selber zahlen müssen. So viel umsonst O-Saft kann man bei seinen Krankenhausaufenthalten im Einzelbettzimmer gar nicht trinken, als dass man auf seine Kosten käme.

Hier sieht Amazon einen großen Markt: Da der Konzern bereit ist, weniger Marge als klassische private Krankenkassen zu akzeptieren, solange es der Kundenbindung an die Amazon-Infrastruktur dient, kann er sich es leisten, attraktivere monatliche Prämien anzubieten. Zudem besitzt Amazon bereits so viele Daten über Bestandskunden, dass es ihre Attraktivität als potenzieller Versicherter deutlich besser beurteilen kann, als das eine herkömmliche private Krankenkasse auf Basis eines Fragebogens zu tun vermag. Mit solchen aufwandsarmen, gesundlebenden Kunden geht Amazon eine äußerst sichere Wette ein und setzt seine Krankenversicherungsaktivitäten auf einem soliden Fundament auf.

iii) Amazon baut seine Vormachtstellung als One-Stop-Solution aus.

Amazon besetzte schon in den 2010er-Jahren relativ weitläufig den Kundenzugang. So gehörten Nahrungsergänzungsmittel schon 2019 zu einer besonders starken Kategorie bei Amazon in Deutschland. Die Nähe zu OTC-Produkten und verschreibungspflichtigen Medikamenten ließ also schon vorher darauf schließen, dass Amazon auch für diese Produkte das Vertrauen der Verbraucher genießen würde.

Mit Hilfe von Geräten wie Echo konnte Amazon zudem seinen Einfluss auf den Kaufprozess des Kunden weiter ausbauen und einen immer größeren Anteil der Haushaltsausgaben für sich beanspruchen. Das Ergebnis: Im Jahr 2025 ist es in vielen Haushalten vollkommen normal, sich mit Alexa über Symptome einer Krankheit zu unterhalten. Zudem stellen von Start-ups in Partnerschaft mit Amazon Health entwickelte smart peripherals wie vernetzte Thermometer Alexa eine Reihe von Daten direkt zur Verfügung. Und bei einigen besonders fortschrittlichen Arztpraxen sind Termine über Voice zu buchen…

So spannend solche Aussichten für Konsumenten, Krankenhäuser und Versicherte sein mögen, unsere Langzeitvorhersagen fallen weniger erfreulich aus für Handelsunternehmen in der Lieferkette zum Krankenhaus, für private Krankenkassen und für all diejenigen im Gesundheitssektor, die es bislang gewohnt sind, direkten Zugang zum Konsumenten zu genießen. Aber so viel Ehrlichkeit muss sein.

Und jetzt haben Sie diese teilweise schmerzhafte Behandlung absolviert. Sie waren sehr tapfer. Mein ärztlicher Rat: Zur Sicherung des Behandlungserfolg in regelmäßigen Abständen hier reinlesen! Und wenn ich Ihnen im Umgang mit der unerfreulichen Diagnose behilflich sein kann, zögern Sie nicht. Aber erst einmal brauchen Sie sich keinen Termin am Empfang geben lassen: Gehen Sie raus und genießen Sie den Frühling!

Empfohlene Beiträge
Comments
  • Antje Holdermann

    ah – okay. 2022 plus!
    private Krankenkassen – one stop -2025!

    Spannend – schauen Sie mal auf die Bain Studie 2011, oder Roland Berger, der den Apps 2017 eine explosionsartige Entwicklung vorhersagte: „So bieten Startups die Möglichkeit, anhand gesundheitsrelevanter Rahmendaten bestimmte Krankheiten festzustellen. Dabei erfasst das Smartphone als täglicher Begleiter Werte, wie zum Beispiel den Blutdruck und Körpertemperatur um damit Erstdiagnosen zu stellen oder dem Nutzer gesundheitliche Ratschläge zu geben.“ – davon haben wir faktisch noch nichts relevantes im Einsatz, alles noch
    in einem Stadium – freundlich gesagt – freudiger Erwartung. Blutzuckermessung via wearabels (Fehlversuche seit 2014), dies wird jedes Jahr durchs Dorf getragen, läuft aber nicht für Diabetiker! Was funktioniert istd er libre – hergestellt nach jahrelanger Planung und heute – nach vielen Jahren Entwikclung – in der zweiten Stufe, dass die Werte auch die ersten 6 Stunden schon so solide sind, dass man diesen trauen kann!!!

    Blutdruck für Gesunde und fitte Menschen läuft gut, aber mit echten Problemen alles klassisch…

    Ja, das wird kommen und spannend, aber sehr viel langsamer und anders. Aber tolle Thesen!