Jochen hat vor kurzem eine prägnante und zum Nachdenken anregende Analyse zum Ausverkauf der „Ladenhüter“ in der deutschen Handelslandschaft verfasst.
Da hier auch mein Lieblingskandidat für eine anstehende Insolvenz – Media Saturn – erwähnt wurde, hat mich auch dieser Artikel zum Nachdenken angeregt. Exciting Commerce stellt hier sehr richtig fest, dass professionellen Finanzinvestoren (selbst solche wie Sun Capital, die zumindest behaupten etwas von Re-Strukturierungen zu verstehen) ständig Kaufentscheidungen treffen, die keinen Sinn machen:
„Auch wenn die Sun Capitals nun schon mehrfach reingefallen sind (“Sun Capital II: Strauss Innovation sucht Schutz vor Gläubigern”) und auch die Karstadt Kaufhäuser weiter ums Überleben ringen, wird die Verkaufsstrategie der Metro-Gruppe natürlich aufgehen.
Denn zum großen Glück für Media Saturn & Co. ist die Finanzbranche in Online-Dingen noch unbeleckter als der Handel und blättert lieber weiter Milliarden für Ladenhüter-Konzepte hin als das Kapital dem Online-Markt zur Verfügung zu stellen (“Exchanges #36: Wie kommt der E-Commerce ans große Geld?”).“
Woran liegt das? Immerhin werden unsere Eliteuni-Absolventen und selbst erklärten Private Equity Rainmaker doch wohl nicht völlig unfähig sein, oder? Meine Erklärung für dieses Symptom ist relativ einfach. Viele Private Equity „Secondary“ bzw. Insolvenzexperten haben sich und ihre Investoren in den letzten Jahrzenten sehr reich gemacht, indem moderne Management Philosophie gekoppelt mit einiger Kaltschnäuzigkeit die Schwachstellen von Unternehmen in vielen Industrien aufgedeckt und ausgenutzt hat. Innerhalb einer bekannten Ausgangslage in der Industrie 1.0 (seit Ende des 2. Weltkriegs entstandenen Unternehmen) konnte somit branchenübergreifend investiert werden. Die Konzepte waren relativ einfach umzusetzen – Kosten runter, Umsatz hoch und los geht es mit der Equity Story und Rückzahlung von Finanzierungszinsen. Innerhalb dieses Konstrukts haben diese Investoren beachtliche Erfolge erzielt und Ihr Wissen über die Restrukturierung von Unternehmen ständig verfeinert. Dies erfolgte oft ohne jegliches Wissen in den jeweiligen Branchen der Unternehmen, sondern beruhte auf betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten.
Was hat sich geändert? Wieso wirken die Private Equity Investoren im besten Fall unbeholfen bzw. dümmlich, wenn man Ihre Investitionen in Branchen sieht, die bereits unter erheblichem Druck durch die Digitalisierung gekommen sind?
Meiner Meinung nach haben sich die Vorzeichen geändert. An den zukünftigen Insolvenzen ist nicht (nur) unfähiges Management oder punktuelle operative Probleme einiger Unternehmen schuld, sondern wir befinden uns in einem fundamentalen Umbruch hin zur Industrie 2.0 (4.0) – das ist eine „Revolution“ und keine „Evolution“ der bestehenden betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen. Selbst in Bereichen, wo Finanzinvestoren Erfolge erzielen, sind die wiederum nur auf bestehende Verbesserungstaktiken und nicht auf neue Geschäftsimpulse bezogen. (Sieh hierzu „Heuschrecken Schreien Vor Glück“) Das gelernte Wissen der Investoren läuft ins Leere, da die Vorzeichen durch die Digitalisierung geändert wurden. Manche Firmen sind einfach nicht mehr zu retten. Wenn man 1900 alle Pferdekutschen Unternehmen übernommen hätte und diese ständig optimiert hätte, wäre auch nur eine Insolvenz dabei rausgekommen. Auch wenn ich in meinem Blog Media Saturn ständig kritisiere – ich (und wenn wir ehrlich sind die meisten digitalen „Experten“) hätte auch keine Idee, wie diese Firma gerettet werden kann. (Übrigens viel Glück an Martin Sinner bei Redcoon – vom Preisvergleich zu Media-Saturn wirkt wie der Sprung von einem Sarg in eine Urne. Das Umfeld stimmt also schon einmal.) Egal wie viele Ressourcen zur Verfügung stehen oder welche Maßnahmen durchführen werden könnten – Media Saturn, Karstadt … … … werden untergehen – die Frage ist nur wann und welche Assets man noch vorher ausschlachten sollte. Diese Erkenntnis ist bisher allerdings, wie richtig von Jochen zusammengefasst, noch nicht bei den Private Equity Investoren angekommen. Übrigens auch nicht bei den meisten deutschen Family Offices. Hier wird nach wie vor der gleiche Werkzeugkoffer der letzten Jahrzehnte bemüht. Der Erfolg wird ausbleiben.