Der Nachwuchsmangel ist in der digitalen Industrie immer ein Thema. Alleine in unserem Firmennetzwerk sind über 200 Positionen nicht besetzt und die Suche nach guten Entwicklern wird von allen aus der Branche immer nur mit einem müden Lächeln quittiert. Grade in unsere Industrie überrascht es mich immer wieder, wie analog der Prozess von Unternehmen und Headhuntern betrieben wird. Bisher habe ich das Gefühl, dass einfach nur simple Prozesse optimiert wurden. Selbst neue Anbieter am Markt wie Personio – die eine wirklich gute Softwarelösung für Start-ups anbieten – fokussieren sich im Prinzip nur auf die Digitalisierung der Prozesse, aber nicht auf die neue Definition von Recruitment selbst. Xing und LinkedIn bieten eine bessere Suchfunktion innerhalb der Mitglieder, aber automatisierte Such- bzw. Matching-Prozesse befinden sich immer noch in den Kinderschuhen. Passives schalten von Anzeigen scheint immer noch die Hauptmotivation von LinkedIn, Xing, Stepstone und anderen Recruitment Plattformen zu sein. Zudem werde ich bei zahlreichen Headhuntern das Gefühl nicht los, dass dort am Anfang jeder Suche auch erst einmal ein Prakti mit einem Xing Premium Account auf die Nutzer angesetzt wird. Die spätere Qualifizierung erfolgt dann im persönlichen Gespräch, d.h. es ist ebenfalls immer noch ein sehr analoger Prozess.
In den letzten Tagen hatte ich dann ein (Vertriebs-) Gespräch mit MoBerries aus Berlin, in dem eine Mitarbeiterin mich für deren Plattform gewinnen wollte. Hier habe ich aber zum ersten Mal ein Konzept vorgestellt bekommen, das nicht auf exorbitanten Headhunter-Fees und einem ineffizienten analogen Prozess aufbaut. Das Startup bietet ein vorqualifiziertes Matching durch einen Alogorithmus, der Kandidaten und Position zusammenführt und somit die Converstion Rate innerhalb der Suche deutlich erhöhen soll. Ausprobiert habe ich es noch nicht, aber ich bin gespannt.
Auf die Idee, den „Middleman“ im Recruiting Prozess zu überspringen, kommen ja viele Startups, die mit schicken Hiring-Plattformen auffahren. Etliche Unternehmen arbeiten an Algorithmen, um Kandidaten und Jobs besser zu matchen. Ein Unternehmen wäre hier zum Beispiel Hired, aber auch Google und IBM arbeiten an Algorithmen für das Recruitment 2.0.
Es gibt darüber hinaus wenige, aber ganz interessante Modelle, die sich auf den Buyer Market eingestellt haben, also den Arbeitsmarkt, in dem sich Talente der Digitalwelt den Arbeitgeber aussuchen können. Suche passiver Kandidaten durch Suchmaschinen auf Kompetenzbasis macht zum Beispiel Talentbin (was heute zu Monster gehört). Die Software durchsucht soziale und professionelle Netzwerke nach Experten. Unternehmen hoffen, damit gezielt Kandidaten zu finden, die auf Jobboards gar nicht als arbeitssuchend auftreten.
Gezielt auf Programmierer und andere schwer zu füllende Positionen haben sich anonyme Plattformen wie Woo und Getfetched spezialisiert. Sie geben den Kandidaten Zugriff auf Jobs und Unternehmen, und nur wenn diese Interesse zeigen, werden sie dem Unternehmen sichtbar gemacht. Ein spannender Weg für Talente, im Suchprozess anonym zu bleiben und nur dann als arbeits- bzw. Opportunity-suchend aufzutreten, wenn ein konkreter Job ihr Interesse weckt. Das geht ja schon in die Richtung Tinder fürs Recruiting, nur dass der Kandidat die volle Kontrolle über die Sichtbarkeit hat.
Ich bin gespannt, ob sich solche Modelle durchsetzen und welche Plattform das neue „Tinder“ für Recuritment wird und verstehe immer noch nicht, warum wir uns bei solch einem wichtigen Prozess wie der Findung von Human Capital immer noch mit der Digitalisierung so schwer tun. So lange sich das nicht ändert, wird es wohl dabei bleiben, dass das persönliche Netzwerk und die direkte Ansprache über Plattformen die wichtigste Lösung bei der Besetzung offener Stellen ist und bleibt.