Die Bundesregierung in Person von Philip Rösler (FDP) profiliert sich passgenau vor der Bundestagswahl mit immer wieder neuen Start-Up Ideen, Zuschüssen und Initiativen. Dieser Schritt in Richtung einer politisch unterstützten Start-Up-Förderung in Deutschland ist sehr wichtig und sendet auch ein richtiges Signal an die vielen deutschen Start-Ups und jungen Unternehmer. Einige Initiativen sind bereits jetzt implementiert worden und zeigen schon eine Wirkung bzw. sind eine absolute Bereicherung für den Standort Deutschland.
Heute wurde das Projekt „Neuer Markt 2.0“ öffentlich gemacht. Hierbei geht es darum, den schnell wachsenden Start-Ups einen potentiellen weiteren Exit-Weg zu ermöglichen. Die Möglichkeit der IPO (Initial Public Offering) d.h. des Börsengangs wird in Deutschland von Gründern schon lange nicht mehr debattiert, da es in den letzten Jahren keine besonders erfolgreichen IPOs gegeben hat und weder Investoren noch die so langsam ausklingende Finanzkrise machen diesen Exit-Kanal attraktiver. Insgesamt ist das Volumen weltweit nicht besonders vielversprechend und selbst die IPOs von Branchenführern wie Facebook sind von den Märkten bestenfalls verhalten betrachtet worden. Auch die Berater, die einen Börsengang zur Geldgewinnung benötigen, können das IPO Volumen in Deutschland nur begrenzt schön reden.
Nun startet die Bundesregierung den Vorstoß ein neues Marktsegment zu eröffnen um das IPO-Fieber in Deutschland wieder zu entfachen. Diese Initiative hat sicherlich den Vorteil, die IPO-Kosten und Restriktionen weiter zu lockern, um möglichst vielen Kandidaten die IPO zu ermöglichen – dies kann sicherlich auch erfolgreich zwischen dem Verband der deutschen Start-Ups, der Bundesregierung und der Deutschen Börse ausgehandelt werden. Doch ist das nur ein unwesentlicher Aspekt im Vergleich zur Gemütslage der Investoren. Bei einer IPO geht es darum, dass der Markt eine Firma akzeptiert und bereit ist in diese Firma Geld zu investieren. Eine attraktivere Plattform hierfür zu schaffen ist sicherlich ganz nett, aber in keinem Fall ausreichend. Die notwendige Liquidität und somit der Investorenappetit für IPOs von Start-Ups benötigt viele andere Grundlagen.
Zuerst müssen genügend Banken bereit sein, die IPO-Kandidaten nicht nur zur betreuen, sondern den Markt durch beständige Broker Coverage bzw. Broker Reports auch informiert zu halten. Wie soll die Initiative das in der rückläufigen Bankenlandschaft garantieren? Ich gehe davon aus, dass jeder neue IPO-Kandidat allerwenigstens von 5 Banken begleitet werden sollte, um wirkliche Liquidität zu bieten. Gibt die deutsche Bankenlandschaft das noch her? Weiterhin finde ich das Verständnis von Business Analysten gegenüber Start-Ups aus der 2.0 Welle im besten Fall antiquiert. Hierzu werde ich noch einen längeren Beitrag schreiben, aber die traditionellen DCF, Peer-, Market-Comps-basierten Bewertungsmodelle sind einfach nicht ausreichend um das tatsächliche Marktpotential von Start-Ups 2.0 zu zeigen und vor allem das Echte Potential für Investoren klar darzustellen.
Im nächsten Schritt müssen Anleger und Kapitalgeber überzeugt werden, dass diese Investitionskategorie überhaupt interessant ist. Dies würde sicherlich durch einen besseren Broker Coverage angestoßen werden, allerdings ist dieses Verständnis nur die Basis für institutionelle Investoren ihre Investmentkriterien zu ändern – dieser Prozess dauert lange und kann nicht bzw. nur sehr wenig politisch beeinflusst werden. Daher erwarte ich eher einen Zeitraum von 3-5 Jahren bis potentielle institutionelle Investoren erstens ein Verständnis aufgebaut haben und zweitens ihre Investitionsrichtlinien geändert haben um signifikante Liquidität(EUR750m+) für den Start-Up 2.0 IPO Markt zur Verfügung zu stellen.
Eng verbunden mit den zwei Themen ist die „Anschlussfinanzierung“, d.h. das notwendige Interesse von weiteren Investoren weitere Liquidität im Markt zu garantieren. Dies ist natürlich abhängig von der betriebswirtschaftlichen Fähigkeit der Firma, das vom Markt zur Verfügung gestellte Kapital erfolgreich einzusetzen, aber auch von dem Interesse weiterer Investorenkreise nach einer IPO. Auch dies wird sich nicht von heute auf morgen materialisieren.
Im letzten Schritt müssen die richtigen Start-Ups überzeugt werden diesen Weg auch zu gehen. Eine IPO ist teuer, aufwendig und vor allem sehr publik. Hier besteht ein signifikantes Risiko für Unternehmen sich mit dem Prozess zu verzetteln bzw. das Geschäft durch zu starke Ablenkung des Management-Teams zu gefährden. Dies ist zwar auch der Fall bei einer „traditionellen“ Finanzierungssuche, aber diese Prozesse sind höher standardisiert, es gibt hierfür zahlreiche Beispiele und sie sind normalerweise nur in einem kleinen Kreis von potentiellen Investoren bekannt. Eine IPO-Vorbereitung ist wesentlich komplexer und nach der Veröffentlichung sicherlich auch nicht einfacher. Daher frage ich mich, ob es viele Firmen gäbe, die sich nach einer Risikoabschätzung für diesen Weg entscheiden würden? Mir fallen dazu aus der deutschen Start-Up-Landschaft nur eine handvoll Firmen ein, für die eine IPO relevant sein könnte.
Insgesamt finde ich die Initiative der Bundesregierung sehr sinnvoll, aber die Idee muss noch wesentlich weiter ausgearbeitet werden. Die Plattform ist sehr interessant, aber dies wird Kapitalgeber, Marktbeobachter und Berater nicht sofort dazu bringen ein liquides und erfolgreiches IPO-Umfeld zu schaffen. Es bleibt weiterhin zu hoffen, dass solche Initiativen auch nach der Wahl im September aktuell bleiben und weiter nach vorne gebracht werden.