Es ist eins dieser schönen Zitate, die – losgelöst von seinem Urheber und in leicht abgewandelter Form – seit Jahrzehnten immer wieder die Runde machen: „The business of America is business.“ Damit soll der wirtschaftsfreundliche Präsident Calvin Coolidge einmal zusammengefasst haben, worum es in den USA geht: ums Geschäft. Auch Ronald Reagan soll das gesagt haben, sowie jede Menge andere Wirtschaftsliberale, die den Vorrang von ökonomischer Aktivität in der Politik der USA und nicht zuletzt in der Gesellschaft des Landes unterstreichen wollten.
Heute möchte ich den altbewährten Spruch leicht zweckentfremden, um einen anderen Befund zu umschreiben: „Increasingly, the business of Amazon is Business.“ Was ich damit meine: Amazon Business, der seit 2015 bestehende B2B-Marktplatz des Seattler Giganten, wächst immer schneller und wird strategisch gesehen immer zentraler. Dabei gehen dieses Wachstum und die damit beginnende Verschiebung der Gewichte wegen der pandemiebedingten Explosion in den Amazon-B2C-Zahlen beinahe von der Fachöffentlichkeit vollkommen unbemerkt vor sich.
Das ist ja insofern nachvollziehbar, als das Amazon insgesamt nach Berechnungen des Kollegen Grafs 2020 um 500 Millionen Dollar pro Tag gewachsen ist. Wenn der Konzern also, wie am 15. März 2021, eine Pressmitteilung herausgibt, in der es heißt, dass der Jahresumsatz von Amazon Business mittlerweile die 25-Milliarden-Dollar-Marke erreicht, sorgt das verständlicherweise nicht unbedingt für großes Aufsehen. Sind das umgerechnet doch gerade mal 50 der 366 Tage im Jahr 2020!
Legt man aber die Amazon-Verkleinerungsbrille ab und betrachtet die Zahl 25 Milliarden Dollar für sich, wird einem wieder klar, worum es hier geht. Umso mehr, wenn man sich auch noch dazu ein paar Gedanken zur Natur des Marktes macht.
Erst einmal zur Einordnung der Größe. Ja, Amazon mag für 2020 einen Umsatz von insgesamt kopfzerbrechenden, alle bisherigen Maßstäbe übertreffenden 386 Milliarden Dollar ausgewiesen haben. Schieben wir das aber gedanklich beiseite und fügen wir kurz, die 25 Milliarden Dollar – also: rund 20 Milliarden Euro – von Amazon Business in der Umsatztabelle der DAX-Konzerne ein. Siehe da: Nur Amazon Business erreicht bereits nach fünf Jahren Bestand einen guten Mittelfeldwert und ist so ungefähr gleich auf mit den Industriekonzernen Henkel (Gründunggsjahr 1876) und Linde (gegründet 1879).
Von Null auf Henkel in nur fünf Jahren, also. Ohne die Corona-Supernova im etablierten B2C-Geschäft würde vermutlich Amazon Business die Schlagzeilen machen. Zumal sich die Kundenkartei zwischenzeitlich in einer veritablen „Best of“-US-Wirtschaft verwandelt hat – mit einer Sonder-Zustatz-Edition „Public Procurement“. Etablierte corporates wie Citigroup, Intel, Cisco und ExxonMobil sind in der Pressemitteilung nämlich genauso aufgelistet wie eine Tech-Firma wie Uber; ebenfalls dabei bei Amazon Business sind die Einkäufer von 45 der 50 US-Bundesstaaten und 90 der 100 größten Städten und Gemeinden, zudem eine Reihe von Universitäten, Krankenhäuser und anderen öffentlichen Einrichtungen. Das alles habe ich noch nicht in die für den deutschen Journalismus gängige Einheit „Saarland“ umgerechnet, aber das Einkaufsvolumen allein aus den Verwaltungen der Bundesstaaten dürfte das Mehrfache dessen aller Ministerien in Saarbrücken bei weitem übertreffen.
Strategisch ist das natürlich von kaum zu unterschätzender Wichtigkeit, wenn sich Amazon neben den Löwenteil des Einzelhandels auch noch nennenswerte Prozente des Industriegroßhandels und nicht zuletzt große Volumina aus Bedarfskäufen durch die öffentliche Hand sichert. In die Zukunft projiziert also: „The business of Amazon is Business.“