Wer hier des Öfteren mitliest, wird wissen, dass ich schon seit Jahren die fehlende digitale Ausrichtung im Asset Management anprangere. Sei es bei kommerziellen Anlagefonds, institutionellen Investoren wie Versicherungen oder den im Auftrag vermögender Familien agierenden Beratern: Der Mangel an Verständnis für die Risiken – und vor allem für die Chancen – der Digitalisierung ist eklatant (siehe hierzu meine Serie Private Equity ist tot, lang leben Private Equity). Und wenn sich das nicht ändert, so dürften einige Fonds den Weg der angeschlagenen Einzelhandelskonzerne gehen, in die sie teilweise immer noch Geld reinpumpen.
Denn gleich und gleich gesellt sich gern, wie es nicht zu Unrecht im Volksmund heißt. Will sagen: Ein Vermögensverwalter, der selber wenig Ahnung vom Digitalen hat, wird das Risiko nicht erkennen, das damit einhergeht, einen acht- oder neunstelligen Betrag in ein spätestens mittelfristig von digitalen Angreifern gefährdetes Handelsunternehmen zu stecken. Erst recht nicht wird er die Chance erkennen, die darin liegen könnte, gegen ein solches Unternehmen eine Short-Strategie zu fahren.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich plädiere nicht dafür, massenhaft Leerverkäufe zu tätigen gegen deutsche Mittelständer in demnächst von der digitalen Umwälzung betroffenen Bereichen wie dem B2B-Handel. Ich wundere mich nur, dass selbst aggressiv agierende Fondsmanager, die sich für den leibhaftigen Gordon Gecko halten, nicht mal auf die Idee kamen, gegen den Einzelhandel zu wetten, als es schon allen Beobachtern eigentlich klar sein konnte, welchen Effekt Amazon & Co. da gerade entfalteten. Das sagt eine Menge über das fehlende Digitalwissen in der Branche aus.
Wofür ich schon eintreten möchte, ist eine umfassende Erneuerung des Selbstverständnisses von professionellen Investoren – und von ihren Kunden. Wer Investitionsentscheidungen auf Basis von einem soliden Verständnis der Digitalisierung trifft – und wer entsprechend in der Lage ist, bei Bedarf eine Digital Due Diligence einer Strategie oder eines einzelnen Unternehmens durchzuführen – wird viel bessere Chancen haben, überdurchschnittliche Erträge einzufahren. Und (was noch wichtiger ist): der wird seltener Geld verlieren!
Ja, ich bin der Überzeugung, dass man in den kommenden Jahren digital genau verstehen muss, um auch nur werterhaltend zu arbeiten. Das muss Investoren sowie ihren Geldgebern klar sein. Zumal letztere zunehmend unangenehme Fragen stellen werden. Denn meines Erachtens steht der Branche eine ähnliche Entwicklung wie ebenjenem Einzelhandel bevor, in den sie so oft noch investiert. Früher kam der Kunde zum Fachhändler ins Geschäft und sagte: „Ich möchte gern einen Fernseher kaufen.“ Da konnte der Händler die Vorzüge zweier oder dreier Modelle anpreisen, um die Illusion der Auswahl herbeizuschaffen, bevor er dann knallhart dasjenige Gerät mit einem nicht mehr auszuschlagenden Angebot loswurde, an dem er am besten verdiente. Der Kunde hatte zu wenig Informationen um unabhängig vom Händler die für sich „beste“ Wahl treffen zu können.
Schöne Zeiten! Heute hat der Fachhändler seinen Laden zugemacht und arbeitet höchstens für Tariflohn beim örtlichen Saturn, wo die Einkaufsbummler trotz satter „Chef-Rabatte“ letztens immer öfter ausbleiben. Der Kunde kauft seinen neuen Flachbildschirm bei Amazon.
Im Asset Management sieht es auf dem ersten Blick anders aus. Dennoch ist das Prinzip dasselbe. Das Geschäftsmodell basiert allzu oft auf einem Informationsdefizit seitens des Kunden. Es wird das verkauft, was für den Fondsmanager bekannt, aufwandsarm, und einträglich daherkommt. Aber wer auf Informationsmangel im Zeitalter des Internets baut, errichtet sein Haus auf Sand.
Vielmehr müssen sich Vermögensverwalter darauf gefasst machen, dass ihnen Anbieter Kunden abnehmen, die mit niedrigerer Marge arbeiten, weil sie besser investieren – und das alles auch noch sehr offen kommunizieren. Nehmen wir als Beispiel den Patrick O’Shaughnessy, der zuletzt im zarten Alter von 32 schon zum Chef von einer Firma aufgestiegen ist, die $6 Milliarden verwaltet. Der Mann gibt Woche für Woche seine Strategie und sein Wissen in einem öffentlichkeitsstarken Podcast für lau preis. Er sagt von sich selber: „Ich entzaubere Wertpapiere durch harte Fakten.“ Mehr noch: In einem Umfeld, in dem es schwieriger geworden sei denn je zuvor, besser als der Markt zu investieren, wären sehr viele Anleger dazu übergegangen, einfach in ETFs und Ähnliches zu investieren. Sein Rezept dagegen: „Unsere Firma ist auf Transparenz gegründet. In Zukunft werden diejenigen erfolgreich sein, die das Verfahren des Investierens für den Kunden interessant und unterhaltend gestalten.“
Soweit kann wohl nur ein Amerikaner mit dem landestypischen Überschwang gehen. Inwieweit es hier wirklich um Unterhaltung gehen soll, sei dahingestellt. Was sicher nicht mehr geht: Geheimniskrämerei und Business-as-usual. Sonst drohen viele Fonds und Verwalter zu den Karstädten und Neckermännern zu werden, bei denen sie schon mal so viel Geld verloren haben.