in Investment Know How

Crowdfunding ist zur Zeit in aller Munde. Endlich können sich kleine Investoren direkt an Start-Ups beteiligen. Der Schwarm ist auf Hochtouren dabei Investitionsentscheidungen zu treffe – dies wirft aber Fragen über das wirkliche Verständnis für neue Geschäftsmodelle auf – nur weil viele Leute investieren, bedeutet es nicht, dass der Schwarm wirklich intelligente Entscheidungen trifft. Dass das an sich eine total tolle Idee ist, hat uns ja schon Manfred Krug mit der Telekom Aktie beim Neuem Markt 1.0 erklärt. Ich selbst bin seit meinen ersten Karriereschritten im Investitionsbereich unterwegs und habe auf diesem Weg bereits zahlreiche Firmen (mit-)gegründet. Von Außen betrachtet scheine ich dabei zwar öfter erfolgreicher gewesen zu sein, als andersherum. Zieht man allerdings in diese Betrachtung die vielen hundert Ideen und Proof-of-Concept-Projekte, die fast alle gescheitert oder in den überschaubaren Gründungen geendet sind, mit ein, lag ich ca. 90 % meiner Zeit falsch. Wie soll sich hier dann erst ein privater Investor, der sich nicht hauptberuflich mit dem Thema beschäftigt, auch nur annährend zurechtfinden? Wozu gibt es Institutionen wie die BaFin, die SEC oder die Financial Services Authority? Jedes Land hat mehr oder weniger schlagkräftige Organisationen geschaffen, um private Investoren zu schützen. Crowdfunding ist jedoch das genaue Gegenteil von Investorenschutz und kann im besten Fall als leichtsinniges Glücksspiel von Investoren gesehen werden, die (hoffentlich) mit den daraus entstehenden Verlusten leben können. Mir ist zwar bewusst, dass es bei der momentanen Zinslage andere Investitionsmöglichkeiten geben muss, Crowdfunding allerdings kann hier nicht für die breite Masse eine Antwort sein – dafür ist das Risikoprofil einfach zu hoch!

Die wirklichen Gewinner sind hier sicherlich die Unternehmen bei Seedmatch, Bergfürst, Kickstarter und anderen. Eine möglichst breite Investorenbasis ermöglicht es Unternehmen mit „tollen“ Ideen Millionen über diese Plattformen ein zu sammeln, ohne dabei professionelle Investoren überzeugen zu müssen. Viele der zur Zeit auf Seedmatch und Kickstarter finanzierten Ideen sind bereits zum zweiten oder dritten Mal für weitere Finanzierungsrunden (Protonet ) mit dabei oder betreiben eine Art Plattformhopping (Kickstarter Seedmatch bei Bonaverde).

Wie schön muss es deshalb sein, mit ein paar Werbevideos, ungeprüften Investorenpräsentation und sehr offen gehaltenen Angaben, Investoren zu bekommen, die dann noch nicht einmal mehr ein Mitspracherecht an dem gesponserten Unternehmen erhalten? Weiterhin läuft bei vielen dieser Modellen die Investition nicht über Anteilsabgaben , sondern über sog. Nachrangdarlehen, die noch weniger Wert für die kleinen Investoren erzeugen.

Dieses mag zwar insgesamt eine exzellente Start-Up-Förderung sein, ist aber auf der anderen Seite auch ein gezieltes Ausnehmen von Kleininvestoren. In der Branche ist es allerdings leider zurzeit so üblich bei Modellen, die kein professionelles Funding erhalten können, erst einmal eine Crowdrunde zu drehen, da hier die „Beweislast“ einfacher zu erbringen ist. In Gesprächen wird dann immer gesagt – Naja, es sind doch nur kleine Beträge für den jeweiligen Investor – als würde bei der Investition bereits die Spendenbescheinigung mit rausgeschickt werden. Diese „kleinen“ Beträge pro Investor sind allerdings in keiner Weise eine Entschuldigung für derartiges Vorgehen. Aus meiner Sicht ist und bleibt diese Anlageklasse etwas für Profis, und selbst die erzielen damit keine wirklich guten Returns mehr. Start-Ups sollten für ihre Finanzierungen mehr „kämpfen“ und ihre Geldgeber überzeugen müssen – nicht Werbevideospezialisten werden. Hierin liegt die eigentliche Gefahr. Der Darwinismus in der deutschen Start-Up-Branche führt an sich zu einem Aussterben von schlechten Modellen, noch bevor riesige Mengen an Geld verschwendet werden (hier spreche ich von der Masse der Start-Ups, nicht von Rocket ;)). Der Gründer erhält hier zum ersten Mal ein marktgerechtes Feedback – entweder er findet Investoren und kann diese überzeugen oder aber eben nicht. Crowdfunding hebelt diesen Prozess aus und führt zu einer großen Anzahl von mehr oder weniger schlecht finanzierten Start-Ups, die zwar gerade genug Geld haben, um nicht zu sterben, sich aber über weitere Crowdrunden im Zombiestatus am Leben erhalten. Trotzdem werden diese schlechten Geschäftsmodelle irgendwann sterben, was zu einer deutlichen Abkühlung der zur Zeit sehr positiven Stimmung innerhalb der deutschen Start-Up-Branche führen wird. Mein Fazit ist daher: Crowdfunding schwächt eher die gesamte Industrie, als das es nachhaltige Werte schafft! Dieser „vicious circle“ könnte zwar durch einige sehr positive Weiterentwicklungen von Crowdfunding-Unternehmen unterbrochen werden. Allerdings erkenne ich bisher noch kein Unternehmen, bei welchem sich eine solche positive Entwicklung abzeichnet – es sieht vielmehr nach einer weiteren Pleitewelle von Zombie-Start-Ups aus.

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Showing 6 comments
  • Johannes

    Dein Beitrag deckt sich mit meinen Beobachtungen. Ich kenne die Interna eines Unternehmens, in das ich keinen Cent investieren würde. Auf Seedmatch hat dieses Unternehmen mit fadenscheinigen Zahlen viel Geld eingesammelt. Seedmatch kann dieses Unternehmen nicht sorgfältig überprüft haben! Privatanleger sind am Ende dann wahrscheinlich die Dummen. Erinnert an Prokon.

  • Martin

    Hallo Nils,

    meiner Einschätzung nach setzt sich in der aktuellen – noch immer recht frühen – Phase des Crowdfundings der Löwenanteil der Investoren vor allem aus Szene-Leuten sowie family & friends zusammen. Die Szeneleute kennen das Risiko aus eigener Erfahrung und supporten mit kleinen, selbst im Totalverlust gut verschmerzbaren Beträgen, weil sie vielleicht ein Team oder eine Idee sympathisch finden und die Szene insgesamt voran bringen wollen. Da ist viel Idealismus mit dabei. So laufen ökologisch nachhaltige Geschäftsmodelle dR überdurchschnittlich gut. Das „Ausnehmen der Kleininvestoren“, wie bei Finanzprodukten andernorts schon vorgekommen, trifft hier mE daher nicht ganz die derzeitige Situation, könnte aber in Zukunft eintreten, wenn diese Produkte z.B. mit wilden Versprechungen über Dritte vertrieben werden sollten.

    Eine sehr gute Frage wirfst du mit der „Abkühlung“ auf, die die Branche durch Insolvenzen (oder gar spektakuläre Betrugsfälle) erleiden könnte. Hier dürfte noch spannend werden, ob und wann es zu einem richtigen Megaexit kommen wird. Sollte ein Startup irgendwann für 100 Mio o.ä. aufgekauft werden, dürfte die Szene gewaltig Auftrieb kriegen und Verlustfälle medial besser wegstecken. Ein solcher Extremfall, ob gut oder schlecht, kann u.U. die ganze Crowdfunding Landschaft prägen.

    • Nils Seebach

      Hallo Martin

      vielen Dank für Deine Antwort. Da bin ich mal gespannt, ob wir zuerst die Insovlenz oder den Exit sehen werden? Aus den letzten Runden finde ich Urbanara und Protonet auf dem Schirm. Diese beiden Firmen haben hohe Sichtbarkeit am Markt und haben beide das Potential für einen knackige Insolvenz oder aber Exit. Die Spannung bleibt also erhalten.

      Grüße,

      nils

    • Nils Seebach

      Noch als Zusatz habe ich folgenden Artikel grade auf Deutsche Startups gesehen: http://www.deutsche-startups.de/2014/08/11/goodz-kann-sich-leider-nicht-nachhaltig-etablieren/

  • Alex

    Hi Nils,

    bin auch bei Kassenzone recht aktiv.

    Mein Eindruck deckt sich mit deinem…genau die gleichen Gedanken sind mir vor ein paar Wochen gekommen. Zudem hat man in vielen Fällen (besonders bei Kleinstinvestoren) den Eindruck es geht vielmehr um den Verkauf und die Vermarktung eines einzigen Produktes (z.B. spezielle Konsole oder Mediaplayer).

  • Katrin

    Ein sehr interessanter Artikel mit Ansichtspunkten, die ich so bislang noch gar nicht gesehen habe. Das regt auf jeden Fall zum Nachdenken an.