In deutschen Unternehmen finden zur Zeit erhebliche Verwerfungen statt: Einerseits werden immer mehr Unternehmen durch die Digitalisierung gefährdet – von A wie Auto (Tesla) bis hin zu Z wie Zeitung (G+J etc.) funktionieren die bestehenden Geschäftsmodelle nicht mehr. Dies nehme ich zum Anlass oft das mangelnde Verständnis für diese Veränderungen zu kritisieren. Hier wird zwar viel erfahren aber Lösungen hat man trotzdem nicht, wie Alexander so wunderbar in seinem Artikel auf Kassenzone berichtet. #smartgoatAndererseits werden in den nächsten Jahren etliche deutsche Traditionsunternehmen an den jeweiligen Nachfolger übergeben oder aber ein Nachfolger muss erst noch gefunden werden. Laut KfW-Studie steht bis 2017 bei 580.000 Unternehmen im Mittelstand ein Generationenwechsel an, was in den nächsten Jahren also jeden sechsten Mittelständler und rund 4 Mio. Arbeitsplätze betreffen wird. Insgesamt also zwei ernst zu nehmende Herausforderungen, die kaum aktueller sein könnten – Digitalisierung und Nachfolgefindung.
Für mich stellt sich hier die Frage, ob diese beiden Herausforderungen nicht gemeinsam betrachtet werden sollten. Mit einem neuen Führungsteam können in einem Unternehmen auch gleichzeitig neue Prozesse innerhalb der „Digitalisierungsherausforderung“ umgesetzt werden. Allerdings ist fraglich, ob die neuen Unternehmenslenker denn mit der doppelten Belastung nicht überfordert sind – sie müssen immerhin das Bestandsgeschäft übernehmen und gleichzeitig mit der facettenreichen Herausforderung „Digitaler Wandel“ umgehen. Was also tun?
Im ersten Schritt sollten potentielle Unternehmensnachfolger entweder Kompetenzen im digitalen Umfeld mitbringen oder sich diese aneignen, das heißt die Erwartungshaltung in Bezug auf Industrie- bzw. wirtschaftliches Verständnis sollte gleichauf sein mit der Erwartung zu digitalen Auswahlvorgaben. Dies bedeute, dass viele zukünftige Unternehmenslenker erst einmal in die „digitale Schule“ bei anderen Unternehmen gehen sollten. Hier ist der OTTO Konzern sicherlich ein gutes Beispiel – vor dem Wechsel in die Gesellschafterrolle hatte Benjamin Otto Zeit, erhebliche Erfahrung im digitalen Umfeld bei dem Projekt Collins zu sammeln. Ähnlich werden diese Projekte auch bei der Familie Fielmann gehandhabt, wo der Sohn des jetzigen „Chefs“ unter anderem digitale Projekte wie Fielmann’s Kontaktlinsen-App vorantreibt.
Vor den Aktionären beantwortet er letztes Jahr die Nachfolgefrage zuversichtlich und präsentiert stolz seinen Sohn Marc, der nach Augenoptiker-Ausbildung und Wirtschaftsstudium nun operativ eingestiegen ist:
„Marc hat 1000 Brillen verkauft und die Kontaktlinsen-App so erfolgreich in Österreich eingeführt, dass sie nun auch in Deutschland kommt“, lobte der Firmengründer. „Aber es kann niemand erwarten, dass er nach zwei Jahren Vorstandsvorsitzender wird.“
Hier haben wir also in der deutschen Konzernlandschaft bereits zwei Beispiele, wie das Thema Innovation und Digitalisierung heute schon bei der Unternehmensnachfolge berücksichtigt wird und somit als elementarer Bestandteil in die Nachfolge der Unternehmensführung eingebunden wird.
Neben der Ausbildung der Nachfolger zu „digitalen Experten“ sollte ebenfalls das erweiterte Führungsgremium nicht nur Erfahrung im Kerngeschäft mitbringen, sondern eben auch bereit sein, neue Herausforderungen im digitalen Umfeld zu ergreifen. Oft sind Management Team und Aufsichtsräte immer noch aus der „Gründergeneration“ bestückt und so sehr diese sich auch dagegen sperren – die „alten Kompetenzen“ wie z.B. Einkaufs-Knowhow spielen in der digitalen Welt eine immer geringere Rolle. Es müssen also auch Führungsgremien und Aufsichtsräte neu orientiert oder bestückt werden, um neben der Nachfolgerfrage auch den erweiterten Führungskreis auf neue Herausforderungen vorbereiten.