Es ist für mich immer besonders spannend, Entwicklungen die auf der zunehmenden Digitalisierung unsers alltäglichen Lebens beruhen vor der eigenen Haustür zu beobachten. So habe ich letztes Jahr die mStore Insolvenz quasi aus nächster Nähe mitbekommen. Der Laden war gleich um die Ecke in Barmbek-Süd – (Hamburg) hier konnte ich gelegentlich mit Apple Produkten spielen und unsere Firmen haben ab und an Produkte fürs Office bestellt. Nicht selten habe ich da Klagen überhört, dass Apple den Händlern bei Endgeräten nicht ausreichend Marge lässt um attraktive Preisnachlässe zu geben. Und nun haben sich die letzten Jahre als geschäftlich so schwierig erwiesen, dass kurz vor dem 25-jährigen Firmengeburtstag die Insolvenz nicht abgewandt werden konnte. Diese Entwicklung ist für mich leider zukunftsweisend für (stationäre) Händler. Verschwindende Margen können die hohen Kostenstrukturen des stationären Handels einfach nicht mehr tragen. Dies ist sicherlich von Apple gezieltes Handeln, um den Markt stärker dominieren zu können. Und auch das eigene Angebot steht hier ohne Konkurrenz: Apple Stores in bester A Innenstadtlage, Geschäftskunden bekommen sofort Firmenberater & Partnerprogramm, und B2C Kunden sind alleine schon von Lage und Ausstattung der Stores begeistert. Ebenfalls sind Beratung und Abwicklung wesentlich besser als in jedem „traditionellen“ stationären Konzept. Apple macht es sehr erfolgreich vor, hochpreisige Produkte durch ein hochwertiges Einkaufserlebnis weiter aufzuwerten.
Interessanterweise weist mStore jedoch explizit darauf hin, dass Apples Expansion der Stores nach Deutschland nicht für die Insolvenz verantwortlich sei:
Auf Apples eigenes Retail-Store-Netz, das in Deutschland beständig ausgebaut wird, wollte der M&M-Geschäftsführer die Lage seiner Firma nicht schieben. Man habe natürlich an Standorten wie Hamburg und München anfangs gespürt, dass Apple nun vor Ort sei. „Wir haben aber auch Kunden zurückgeholt.“
Ich wage stark zu bezweifeln, dass hier wirklich Kunden „zurück gekommen“ sind. Und auch wenn Apples neue Dominanz in der Innenstadt das Aussterben von Händlerketten wie mStore zwar nicht verursacht hat, so hat die dieses aber auf jeden Fall beschleunigt.
Warum fasziniert es mich also, dieses Phänomen vor der Haustür mitzubekommen? Aus meiner Sicht können von solchen Beispielen viele spannende Entwicklungen abgeleitet werden: wenn Hersteller zunehmend selber in das Handelsgeschäft einsteigen, können historisch gewachsene Handelsstrukturen nicht mehr bestehen. Gilt das nur für Premiumelektronik oder ist das zunehmend ein Trend, den wir auch in anderen Produktgruppen sehen werden? Diese Marktverlagerung zieht natürlich auch schon heute Kreise und beeinflusst andere Branchen. Für Immobilienbesitzer bedeutet es zum Beispiel, dass sie in B und C Lagen (dort wo ich wohne) keine Chance auf vernünftig aufgestellte Mieter mehr haben. Allerdings muss man bei uns sagen, dass sich bereits ein Nachmieter mit REWE City gefunden hat, damit haben wir jetzt in einem Radius von ca. 500 Metern über 6 voll ausgestattete Supermärkte. Hier kann ich nur sagen, dass ich voller Verwunderung bin, wie die extrem lethargisch wirkenden Lebensmittelketten sich von Lebensmittel Start-ups die Butter vom Brot nehmen lassen. Mit solch einer guten, lokalen Infrastruktur können die Lebensmittelläden Lieferungen ZU FUSS zustellen lassen und könnten in allen Ballungszentren sofort erfolgreiche Online-Lieferangebote an den Markt bringen. REWE versucht es zwar aber auch hier braucht mal als Kunde einen lagen Atmen. Die Website ist ständig gestört und mir ist es wirklich egal, welcher Laden die Produkte liefert – ich kann nur nicht glauben, dass immer ca. 1/3 meiner Produkte grade nicht im jeweiligen Laden auf Lager sind. Hier wäre ein Ansatz aus Kundensichtweise und nicht aus Händlersichtweise vielleicht ein Aspekt der durchdacht werden sollte. Wie schwer kann es sein Tesco oder Sainsbury in der UK zu kopieren?
Neben diesem kurzem Exkurs zur Lebensmittelbranche ist das Straßenbild in Barmbek-Süd (und in eigentlich allen <A Immobilienlagen) aber sehr, sehr düster. Da fragt man sich ja, ob es noch Matratzenläden, Bäckerein oder Handyshops gibt, die gerne in Barmbek-Süd die Ladenfläche von mStore übernehmen würden, wenn REWE nicht neue Shop Formate ausprobieren möchte. In einer Industrie, in der wir alle eigentlich immer Einsen und Nullen von rechts nach links schupsen bzw. schupsen lassen und bei Büroführungen der Betriebskicker das absolute Highlight (neben ganz vielen Leuten an Bildschirmen) ist, ergibt sich doch eine spannende Abwechslung, die Digitalisierung auch mal vor der Haustür zu erleben.