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Vor Kurzem meldete also Galeria Karstadt Kaufhof erneut Insolvenz an. Es ist schon erstaunlich: Vor ziemlich genau drei Jahren schrieb ich hier einen Kommentar zum ersten Insolvenzverfahren von GKK und betitelte ihn „Alles hat ein Ende, nur Galeria Karstadt Kaufhof hat… einige.“ Denn es handelte sich ja schon damals lediglich um die erste Zahlungsunfähigkeit des derzeitigen Konstrukts GKK und keineswegs um die erste große Pleite unter den beteiligten Unternehmen: Karstadt war nämlich als Teil der Arcandor-Gruppe schon 2009 einmal über die Wupper gegangen und tauchte danach in den Wirtschaftsnachrichten immer wieder unter dem Attribut „kriselnde Warenhauskette“ auf – beziehungsweise das „insolvenzgefährdete Unternehmen“ trieb ab dann gefühlt jeden Tag auf der medialen Flut, sodass ‚auftauchen‘ eigentlich gar nicht das richtige Verb ist.

Denn auf wundersame Weise tauchten die Warenhäuser nie wirklich unter. Wie eine Titanic, die im stundenlangen Sinken begriffen ist und von der manch Passagier bis zum eigenen, eisig-bitteren Ende einfach nicht glauben kann, dass sie wirklich untergeht, wollte und wollte Karstadt nicht sterben. Dabei war beim Einstig René Benkos vor über einem Jahrzehnt bereits klar, dass es sich höchstens um ein zeitweiliges Aufschieben des Untergangs handeln konnte. Das einzige, was damals nicht schon abgemacht war: Wer geht als erster unter? 

Denn deutlich war es eigentlich nie, wer wen rettet – oder, besser gesagt: wer sich an wen festklammert. Auf dem ersten Blick war zwar Benko der Retter in der Not. Schon auf dem zweiten, höchstens auf dem dritten war aber klar: Der Donaukapitän brauchte die Gewerbeimmobilien und den Markennimbus von Karstadt als Treibstoff für seinen wackeligen Kreuzer. Ja, er brauchte immer neue Zugänge, um sein Ponzi-Scheme Signa-Imperium am Laufen zu halten – weshalb er dann 2018 Galeria-Kaufhof noch dazu kaufte.

Damals – als die Zinsen schon auf einem Tiefpunkt lagen, die Wirtschaft aber noch vorpandemisch rund lief – glaubten nicht wenige, es handele sich um ein irgendwie geartetes Retail-Genie mit einem kühnen Plan für unsere hierzulande leider mit wirtschaftswunderfolkloristischer Bedeutung überladenen Warenhäuser. Spätestens in 2020 zeigte sich, worin dieser Plan bestand: Bei Bedarf Geld vom Staat für Spekulationsobjekte kassieren und sonst möglichst wenig selbst dafür tun.

Benko war nicht einmal die wirkliche Wurzel des Übels

Und bevor sich dieses einfach nach Benko-Bashing anliest (so berechtigt das Eindreschen auf einen entlarvten Blender auch sein mag): Der springende Punkt ist eigentlich ein anderer. Und zwar: Selbst ein wohlmeinender, mit umfangreichen frei verfügbaren Finanzmitteln ausgestatteter Investor, der wirklich auch gewillt gewesen wäre, Geld in GKK zu stecken, wäre an der Aufgabe gescheitert, ‚Das Deutsche Warenhaus‘ in seiner gerade noch existierenden Form zu retten. Hatte sich doch das Konzept, als undifferenzierter Gemischtwarenladen in jeder mittleren Großstadt des Landes mit einem Standort vertreten zu sein, schon Mitte der 2000er – also bereits vor dem großen E-Commerce-Wachstumsschub – sichtbar überlebt. Da halte ich es ganz mit Handelsexpertin Hanna Schramm-Klein. Und spätestens ab 2009-2010, als sich Amazon und Zalando im deutschen Markt bereits jährlich verdoppelten, der Otto-Versand vom Katalog- zum Online-Händler umbaute und sich die ersten in der Fußgängerzone sichtbaren Pleiten ereigneten (Hertie, Woolworth & Co.), konnte ja jedem klar sein, dass der Handel im sprichwörtlichen Wandel war. Wir alle mussten lernen, uns von geliebten Marken zu trennen, deren Konzepte sich einfach überlebt hatten – auch ich.

Deshalb schrieb ich vor drei Jahren im besagten Stück „Alles hat ein Ende…“: „Dem Bund würde ich dazu raten, keine 460 Millionen Euro Steuergeld in eine Struktur zu stecken, die nicht mehr vor dem Aus, sondern bereits ein gutes Stück danach steht.“ Viele andere warnten auch, das viele Geld würde weder die Warenhäuser retten noch überhaupt zurückgezahlt werden – nicht zuletzt die Monopolkommission(!). Es ist deshalb mehr als ärgerlich, dass unsere Regierenden GKK dann trotzdem Staatshilfe gewährten – und nicht bloß 460, sondern am Ende insgesamt 680 Millionen Euro Staatshilfe reinpumpten (denn die nächste Pleite folgte 2022 schon). 

Der Staat ist Teil des Problems, nicht die Lösung

Regelrecht unverzeihlich dabei ist, dass diese Unsummen an Geld aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds offenbar an die Bedingung gekoppelt respektive in der irrsinnigen Annahme geflossen sind, René Benko würde selbst 200 Millionen Euro in die darbende Handelskette stecken. Ich weiß nicht, welche Vorstellung schlimmer ist: Die, dass der Staat wirklich glaubte, Benkos Signa würde sich an diese Maßgabe halten, oder die, dass man insgeheim nie davon ausging und einfach mir-nichts-dir-nichts eine überholte Handelsstruktur mit einem neunstelligen Scheck zu alimentieren bereit war. Weil: Die Arbeitsplätze! (Und die Wahlurne…)

Wenn ich allerdings tippen müsste, glaube ich eher die Version „Der Staat war naiv und ließ sich von Benko über den Tisch ziehen“. Genauso ist es in Hamburg mit dem Elbtower passiert, wo die Hansestadt glaubte, den windigen ‚Wunderwuzzi‘ vertraglich eingehegt zu haben und nun mit einer Bauruine der Sonderklasse dasteht. Wo nichts ist – und niemals was war –, da hat der Kaiser ja sein Recht verloren.

Loslassen lernen

Wie heißt es noch so schön im Volksmund? „Aller guten Dinger sind drei.“ Und ich hoffe, diese dritte Pleite von Galeria Karstadt Kaufhof – also, nochmal zum Mitschreiben: von sämtlichen hierzulande noch bestehenden Kettenwarenhäusern – auch sein Gutes hat. Nämlich dass, wie Johannes Berentzen es diese Woche im Deutschlandfunk-Gespräch formulierte, „ein Teil deutscher Handelsgeschichte zu Ende geht“ – und dass unsere Politiker ihn dann auch zu Ende gehen lassen. Wenn ein Insolvenzverwalter und eine leidensfähige Besatzung noch einmal versuchen wollen, das Schiff zu retten, sollen sie es gern versuchen – ohne uns. Sonst gerät es wirklich wie bei der Titanic – also, in der nie enden wollenden James-Cameron-Schnulze davon, bei der man es kaum mehr aushält und auf „I’ll never let go, Jack…“ förmlich schreien möchte: „Lass ihn doch endlich los!“ Denn GKK hat mehr als nur Schlagseite; das Pumpen muss eingestellt werden. 

2020, 2022, 2024: Drei Enden waren genug.

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