in Amazon Toolbox, Analyse

Ja, Amazon gehört definitiv zu den Gewinnern des letzten Jahres. Davon profitieren auch unzählige E-Commerce-Unternehmen, deren Geschäftsmodell darin besteht, Amazon Seller – also Händler, die Amazon als Marktplatz nutzen – zu kaufen und irgendwann profitabel zu machen.

Das bekannteste ist Thrasio aus den USA: Mittlerweile wird das Unternehmen mit über einer Milliarde Dollar bewertet. Allein im Jahr 2020 flossen über 300 Millionen Dollar in die Kassen. Kriegskassen, muss man sagen.

Denn um die Herrschaft im Amazon-Universum ist ein harter Kampf entbrannt. Immer mehr Unternehmen, die Seller aufkaufen und sie so gebündelt „Synergien heben“ lassen wollen, treten auf den Plan. Die Internet World Business führt dazu sogar Buch – und registrierte bis Ende 2020 mindestens eine Milliarde Dollar Funding in Summe.

Auch in Deutschland gibt es Thrasio-Klone. Sie heißen etwa SellerX (mit 100 Millionen Euro ausgestattet) oder Razor Group (hier gab es zuletzt immerhin 25 Millionen Euro). Ganz neu dabei: BRANDED, die bis vor Kurzem im Stealth Mode für 150 Millionen Euro Amazon Seller aufgekauft haben. Bei dem sich hierzulande aufheizenden Markt will natürlich auch Thrasio selbst mitmischen und hat dafür 225 Millionen US-Dollar zur Seite gestellt. (Erwähnen will ich gern noch die Londoner Heroes – auch gut finanziert –, die das „europäische Thrasio“ werden wollen.)

Reihenweise werden also dreistellige Millionenbeträge in Thrasio und seine Klone gesteckt. Wem bei diesen Zahlen die Ohren nicht schlackern, der hat den E-Commerce nie geliebt.

Wie kann es sein, dass Händler, die zum Großteil mit Billigprodukten versuchen, nur durch Masse eine halbwegs vernünftige Marge zu erzielen, solch Begehrlichkeiten wecken? Und was verleitet Investoren dazu, so horrende Summen in Unternehmen zu pumpen, die diese Händler aufkaufen?

Klar, wer auf Amazon die Nase vorn hat, bekommt ein ordentliches Stück vom E-Commerce-Kuchen ab. Ich denke, dass Investoren hier eine Möglichkeit sehen, indirekt vom Amazon-Hype zu profitieren: Wächst die Plattform, wachsen die Händler und ihre Marken. Und wer die Händler kontrolliert, verdient das große Geld.

Das ist meiner Meinung nach aber ein großer Denkfehler – schließlich hat eine Marke auf Amazon nicht lange Bestand, weil es immer jemanden gibt, der den Preis unterbieten wird. Wachstum ist nur möglich, wenn möglichst viele Regionen beherrscht werden; aber auch da gibt es irgendwann ein Limit, zumal sich beispielsweise Synergieeffekte wohl kaum zwischen deutschen und spanischen Händlern ergeben werden, weil der Markt (zumindest in Europa) zu segmentiert ist. 

Es ist daher wohl nur eine Frage der Zeit, bis den Thrasios dieser Welt die Marge durch die Finger rinnt – und Investoren beim Platzen einer Blase sehr viel Geld verlieren werden.

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