In der letzten Zeit machen wir uns bei der Wald und Wiese Holding viele Gedanken zu diesem Thema. Daher fand ich das Gespräch zwischen Tarek und Roland Berger in der Wirtschaftswoche vor ein paar Wochen äußerst interessant. Als der Redakteur der altehrenwürdigen Beraterlegende die Frage stellte, was er anders machen würde, wenn er heute gründen würde, antwortete er, er würde „eine Mischung aus Beratung und Beteiligungsgesellschaft wählen, um zum Beispiel Start-ups oder Restrukturierungen zu finanzieren.“ Darauf Tarek: „So macht das auch die Beratungsfirma eTribes, bei der ich Gesellschafter bin.“ Und darauf Berger: „Da bin ich ja erleichtert. Offenbar habe ich trotz meines fortgeschrittenen Alters noch das richtige Gespür für die Zeit.“
Da sind wir uns also alle einig. So weit, so langweilig. Aber die Frage, warum es in der digitalen Welt so ist, dass Berater auch Unternehmer sein müssen, ist spannend! Als Berater steht für mich fest, dass viele der Erkenntnisse im Bereich der Digitalisierung, die wir im Rahmen unserer Beratungsmandaten weitergeben, erst aus operativen Leistungen gewonnen werden. Das liegt daran, dass die Entwicklungsgeschwindigkeit im Digitalen eben viel schneller ist und man einen Finger am Puls des alltäglichen Geschäfts haben muss: Bis zur nächsten Demexco oder zur nächsten ach-so-interessanten Fachveröffentlichung warten die Themen, über die sich unsere Kunden Auskunft wünschen, keinesfalls. Oft geht es ohnehin zu sehr ins operative Detail, als dass ein klassischer Unternehmensberater, der selber über wenig oder zu weit zurückliegende Umsetzungskompetenz verfügt, wirklich was beizutragen könnte.
Ich will mal ein sehr rudimentäres, aber meines Erachtens aufschlussreiches Beispiel davon geben, was das im Tagesgeschäft heißt. Nehmen wir mal den Beratungsbereich E-Commerce und setzen wir da an, wo Berater nun mal gern ansetzen: Bei KPIs (Key Performance Indicator) die auf mehreren Metriken beruhen. Im Online-Handel gilt ja die Konversionsrate als König der KPIs – was nicht abwegig ist. Schließlich will man nicht nur Besucher in einen Webshop locken, sondern diese auch zu zahlenden Kunden machen. Wem dies nicht gelingt, hat im E-Commerce ein Problem. Nur reicht es aber nicht, Mandanten zu sagen: „Eine durchschnittliche Konversionsrate liegt bei 2%, ihr seid bloß bei 1,3%. Wenn wir die Buybox so und so umstellen und diese Features einbauen, können wir das anheben.“ Wie letztens in einem sehr interessanten Gespräch zwischen dem Kassenzonen-Kollegen Alex und André Morys in Detail zu erfahren ist, besagt die rohe Konversion als Metrik alleine fast gar nichts. Ja, richtig gelesen: Der sogenannte „Konversionspapst“ verlässt sich keineswegs ausschließlich, ja sogar eigentlich gar nicht auf die reine Konversion als KPI. Klar, gänzlich unwichtig ist sie nicht, aber allein darauf zu schielen und alle Maßnahmen darauf auszurichten – das bringt schlussendlich nichts. Man muss sich auch Fragen stellen wie: Wie wird konvertiert? Werden nicht Kunden, die vielleicht höherpreisig einkaufen würden, auch runterkonvertiert? Und wie sieht die Retourenrate hinterher aus?
Wer diesen Fragen im eigenen Unternehmen nachgeht, weil auch ihm der langfristige Ertrag schließlich wichtiger ist als die kurzfristige Anhebung eines bestimmten KPIs, der blickt auch anders aufs Beratungsgeschäft. Und so bin ich zur Überzeugung gelangt, dass man durch operative Einblicke ein viel besserer Berater wird. Zumal: Wenn man selber Beteiligungen hat und dazu parallel als Berater arbeitet, dann kann man auch für seine Kunden Ausschau nach strategischen Beteiligungen halten – oder auch einfach mal selber das Passende bauen. Wenn Roland Berger noch einmal im Beratungsgeschäft neu anfangen wollte (sieht mir trotz – wie er es sagt – „fortgeschrittenen Alters“ ja auch nicht wie einer aus, der einfach mal die Füße hochlegt…), sollte er seinem Bauchgefühl folgen.