ProSieben Sat.1 hat auf den Capital Market Days viele interessante Daten gezeigt. Sowohl Jochen auf Exciting Commerce wie auch Alex auf Kassenzone haben sich mit den Inhalten beschäftigt und die Effektivität der Strategie in erheblichem Maße hinterfragt. Hier werden also Schwächen innerhalb des „normalen“ Geschäftsmodells aufgezeigt und analysiert. Ich habe mich ebenfalls bereits mit dem Thema in früheren Beiträgen befasst.
Ich stelle mir bei Digitalkaufmann allerdings die Frage, wie es mit externen Faktoren aussieht. Insgesamt wird TV nach den Erfolgen rund um Zalando noch immer als wertvoller Werbekanal gesehen. Wird aber nicht auch dieser Kanal nur noch mittelfristig funktionieren und werden nicht auch dort die digitalen Einflüsse das Geschäftsmodell „zerstören“?
Hier finde ich vor allem interessant, dass der Haupt „Bedarf weckende“ Kanal – Facebook – sich dazu erhebliche Gedanken gemacht hat. Vor kurzem wurde durch Facebook „Reach & Frequenzy“ eingeführt. Dies wird von Facebook wie folgt beschrieben:
Reach and frequency
Traditional broadcast ad campaigns are planned and bought by focusing on the number of people an advertiser can reach and how many times that advertiser can reach them. Today we’re also introducing the ability for advertisers with Facebook account representatives to predictably reach a significant number of people and control message frequency.
Now, advertisers who utilize Facebook’s reach and frequency buying will be able to predictably manage audience sizes and the number of times their ads will be shown to those audiences.
“We are excited by the capability to precisely align Facebook media delivery with the reach and frequency levels that deliver business results for our clients. We look forward to continued partnership with Facebook to make buying easier and more effective; reach-based planning is an important piece of this,” said Kevin Lange, SVP, Social Media, Starcom MediaVest Group.
And because Facebook targeting is based on real people and not cookies (or other identity proxies), we can more accurately control the reach and frequency across devices to better help advertisers achieve their business goals.
The new features for video on Facebook, as well as reach and frequency buying, will roll out to advertisers globally in the coming weeks.
Durch diese Funktionalität wird TV direkt bedroht – wenn Konzerne die Möglichkeit erhalten TV Werbung (mit hohen Streuverlusten) durch wesentlich genauer getargetes Online Marketing zu ersetzen – mit einer Reichweite, die wesentlich stärker ist als TV – wieso sollte es dann noch TV Werbung geben? Die globale Reichweite von Facebook von mehr als 1.28 Milliarden Zugriffen pro Monat übertrifft bei allen Zielgruppen die von einzelnen TV Unternehmen bzw. Konzernen die lediglich im Falle von einigen Großevents eine ähnliche Reichweite erzeugen können. Das von Facebook nun ausgerollte Programm ist auch als direktes Konkurrenzprodukt zu TV gedacht, da es z.B. eine Minimum(!)- Reichweite von 1 Millionen Personen als Buchungsvoraussetzung nennt und Werbetreibende direkt auf dieses Produkt unter der Überschrift „brand awareness“ hinweisst. Ebenfalls können die Kampagnen bis zu 8 Wochen vorher eingebucht werden und stehen dann zu einem festen Preis zur Verfügung d.h. die Planbarkeit der Kosten ist genau wie bei einer TV Kampagne planbar und vorher bekannt.
Ebenfalls weiß Facebook wesentlich mehr über die relevanten Zielgruppen und kann daher auch aussagekräftigere Werbung schalten. Schon jetzt schaut der durchschnittliche Deutsche ca. 4 Stunden TV pro Tag verteilt über alle Kanäle hinweg. Im Schnitt verbringen die Deutschen ca. 2.8 Stunden pro Tag im Web und davon ca. 20 Minuten auf Facebook (wobei hier keine genauen Daten von Facebook bekannt gegeben werden). Der „digitale“ Kanal läuft aber TV Kanälen den Rang ab:
Die Menschen in Deutschland sind immer länger online. Die tägliche Verweildauer im Netz stieg bei der Bevölkerung ab 14 Jahren im laufenden Jahr auf 169 Minuten – 2012 waren es noch 133 Minuten. Das geht aus der am Mittwoch veröffentlichten repräsentativen ARD/ZDF-Onlinestudie 2013 hervor, für die zwischen März und April 1800 Menschen ab 14 Jahren befragt wurden.
77,2 Prozent sind insgesamt online (2012: 75,9 Prozent). Die Zahl der Nutzer stieg von 53,4 Millionen auf 54,2 Millionen Menschen. 5,3 internetfähige Geräte sind nach der Befragung in einem durchschnittlichen Haushalt vorhanden. Gerade mobile Endgeräte treiben dabei den Internetkonsum voran. Die Unterwegs-Nutzung steigt binnen eines Jahres deutlich von 23 Prozent (2012) auf 41 Prozent (2013). Apps werden mittlerweile von 44 Prozent der Befragten auf unterschiedlichen Endgeräten genutzt. So hat auch die Zahl der Tablets deutlich zugelegt: War solch ein Gerät im Vorjahr erst in 8 Prozent der Online-Haushalte anzutreffen, sind es 2013 bereits 19 Prozent.
Über einen internetfähigen Fernseher verfügen inzwischen 29 Prozent der Online-Haushalte. Die Zahl derjenigen, die über ihr TV-Gerät ins Internet gehen, hat sich binnen eines Jahres von zwei Prozent (2012) auf zwölf Prozent (2013) versechsfacht. Rund fünf Minuten – das sind zwei Prozent des durchschnittlichenFernsehkonsums pro Tag – werden über das Internet ferngesehen, drei Minuten linear und zwei Minuten zeitversetzt. Bei den jüngeren Menschen zwischen 14 und 29 entfallen zwölf Minuten des Fernsehkonsums aufs Netz.
Die Werbung auf Facebook kann ebenfalls Format übergreifend ausgespielt werden d.h. im Print, Video oder Audio Format und im Gegensatz zum TV kann der User sogar direkt eine Transaktion durchführen oder mit der Werbebotschaft interagieren. Hier wirkt TV Werbung dann nur noch wie eine ganz besonders hübsche Pferdekutsche neben einem Ferrarri.
Ist also die wirkliche Gefahr für ProSieben Sat 1 die mehr oder weniger gelungene Umsetzung der „Kapitalmarkt“ Aktionen, Inkubatoren Projekte bzw. Revenue-Share oder Media for Equity Deals oder ist die wirkliche Gefahr nicht diese: Traditionelle Schalter von Fernsehwerbung werden von Online Modellen immer stärker unter Druck gesetzt und fahren Marketingausgaben zurück. Während die Zielgruppe der digitalen Unternehmen, die durch hohes Venture Funding zur Zeit einen Großteil des TV Werbebudgetsmarktes ausmachen bereits eine hohe Affinität zu Kanälen wie Facebook hat. Gleichzeitig wird TV in seiner Relevanz Stück für Stück von Bedarf weckenden Kanälen wie Facebook überholt. Im Moment reden sich Anbieter von TV Werbung noch ein, dass sie von der Entwicklung der Verlage bzw. Print Medien entkoppelt sind – das stimmt aber nicht – sie haben nur etwas mehr Zeit, bevor der Malstrom der Digitalisierung auch ihr Geschäftsmodell in seinen Sog zieht.