in Entrepreneur Radar

In den letzten Monaten häufen sich die Beispiele, wie verschiedene B2B-Branchen durch die Digitalisierung durcheinandergewirbelt werden. Vor allem in der Autoindustrie wird langsam klar, dass die neuen Mitbewerber, von denen alle hierzulande noch in der Zukunftsform sprachen, längst schon da sind: Sie heißen Amazon und Tesla. Und weiterhin ist der gesamte B2B-Sektor in Aufruhr, da der lange angekündigte (und daher von vielen verneinte oder verdrängte) Markteinstieg von Amazon Business nun doch tatsächlich erfolgt ist: Seit Januar 2017 ist Amazon damit in Deutschland präsent. In unserer Studie zu dem Thema Amazon und B2B – Knut Means Business – zeigen wir viele Aspekte dieser Entwicklung auf; mit Knut im Stau gehen wir speziell auf die Situation in Automotive Sektor ein. Amazon steht hier kurz davor die Wertschöpfungskette im B2B Umfeld erheblich zu verkürzen (wie ihr auch auf warenausgang.com nachlesen könnt).

Die Digitalisierung ist zwar meistens nicht der alleinige Faktor, der für das oft sehr schnelle Auseinanderbrechen von etablierten Industrien verantwortlich ist. Im B2C-Umfeld beispielsweise sind vorwiegend diejenigen Anbieter schon vom Markt verschwunden, die ohnehin hausgemachte Probleme hatten: Radio-Stars wie Quelle und Schlecker wurden nicht vom Video-Star E-Commerce getötet. Sie brachten sich selber um. Aber ohne der Druck vom Online-Kanal wäre so manch ein ehemaliger Einzelhändler wohl noch am Markt beziehungsweise die Abschlüsse von vielen herkömmlichen Händler würden viel üppiger ausfallen. Und wer führt eine Statistik über all die kleinen Einmannläden, die im Gegensatz zu den Karstadts dieser Welt keine Medienwellen schlagen, wenn die in Schwierigkeiten geraten?

Zudem ging der Wandel jahrelang oft noch relativ langsam vorstatten, um erst in den letzten Jahren sichtbar zu beschleunigen. Plötzlich kaufen nicht nur die Bewohner einkommensstarker Großstadtsinglehaushalte bei Amazon, sondern auch noch ihre ebenfalls nicht gerade einkommensschwache Eltern. Das Warenhaus und der Fachhändler haben das Nachsehen. Und so kommt erst jetzt die Erkenntnis in der breiten Masse an, dass zunehmende Umsätze im E-Commerce eben immer auch zulasten derjenigen in stationären Geschäften gehen. Denn es gibt nicht auf einmal mehr Konsumenten, die rein zusätzlich online konsumieren. Vielmehr kaufen dieselben Konsumenten so ungefähr dieselbe Menge ein, aber eben nicht mehr vorwiegend im Offline-Einzelhandel. Dieser erlebt jetzt eine erhebliche Bereinigung, da dort einfach weniger konsumiert wird. Wie so oft ist die Entwicklung am radikalsten im englischsprachigen Ausland zu beobachten, aber wer glaubt, Deutschland wird hier verschont bleiben, der irrt sich gewaltig. Übrigens war diese Verdrängung schon vor fünf Jahren glasklar abzusehen (wer sie noch nicht kennt, dem seien die Studie Evil Commerce sowie die erste Studie unserer „Knut“-Serie, Knut geht baden, hierzu empfohlen.

In der Modebranche ist die Entwicklung sehr weit fortgeschritten und so ist sie im breitgefächerten B2C-Handel sicherlich ein aufschlussreiches Einzelbeispiel dessen, was vielen B2B-Branchen nun blüht. Traditionelle Anbieter werden zwischen Massenanbieter wie H&M einerseits und Primark andererseits im Ladengeschäft aufgerieben. Gleichzeitig schrumpft aber der gesamte stationäre Markt durch den zunehmenden Kanalwechsel in den Online-Bereich: Hier heißen die Gegner Zalando, Amazon, About You usw.. Sie wissen viel mehr über die Vorlieben ihrer Kunden, als noch der beste Verkäufer im Einkaufszentrum oder in der Fußgängerzone. Der Technologievorsprung ist immens – und kann so im stationären Handel kaum repliziert werden. Im Segment Mode bildet sich auf diese Weise gerade ein perfekter Sturm, der zahlreiche Anbieter vom Markt verdrängen wird.

Bei B2B Unternehmen kommt die Digitalisierung ebenfalls nicht allein, sondern im Zusammenhang mit mehreren anderen Faktoren: Würde Tesla nur herkömmliche Autos digital verkaufen wollen, würde ich nicht diesen Artikel schreiben. Nur will Tesla dummerweise die Mobilität technologisch revolutionieren – und treibt dabei natürlich auch die Digitalisierung voran. Auch Amazon interessiert sich nicht nur für die Marge an Autoreifen, sondern für viel größere automobile Zusammenhänge wie Lieferketten und Logistik.  Für Autohersteller, Zulieferer, Speditionen und Akteure in vielen anderen Königsdisziplinen der deutschen Nachkriegswirtschaft bis hin zur Schrauben- und Werkzeugproduktion sind das verhängnisvolle Nachrichten. So erleben diese Branchen gerade rapide Veränderungen, weil nicht nur die Digitalisierung erhebliche Veränderungen mit sich bringt, sondern auch neue Mitbewerber auftauchen und parallel neue Technologien die bisherige Marktposition angreifen. Salopp gesagt: Es geht nicht nur darum, dass Konsumenten einen neuen Auspuff samt Montage neuerdings lieber online bestellen, sondern darum, dass sie vielleicht bald überhaupt keine Auspuffe mehr brauchen werden.

In dieser Größenordnung muss man anfangen zu denken. Ist doch immer einer der neuen digitalen Monopolisten aus der GAFA-Reihe zur Stelle, und unter der völligen Neudefinition von ganzen Branchen machen sie es nicht mehr. Zudem entwickelt sich die Technologie rapide weiter. So sieht sich ein Amazon erkennbar gar nicht mehr primär als Händler, sondern eher als so etwas wie ein Medienunternehmen mit erheblicher Marktmacht: Diese Macht wird geschickt genutzt, um Kunden ans Unternehmen immer fester zu binden und den Vertrieb in allen Produktklassen zu verstärken. Amazon – sowie Apple, Google, und Facebook, ist ein Aufmerksamkeitsmakler. Der erste Schritt: Kundenzugang sichern. Erst dann kommt der Handel mit Produkten dran. Um diesen Vorgang in Automotive zu verdeutlichen: Es gibt nur sehr wenige Händler, die den massiven Einstieg in den Handel mit Automobilteilen und Automobilen mittels einer globalen Serie des ehemaligen Top Gear-Teams verknüpfen können. Amazon macht’s.

 

Neben dieser zunehmenden Marktmacht aus dem digitalen Bereich kommt jetzt auch noch das Elektroauto dazu, um den perfekten Sturm zu bilden. Die etablierten Hersteller haben Fahrzeugflotten, Entwicklungsprogramme, und überhaupt Geschäftsmodelle, die noch vollständig vom Verbrennungsmotor abhängen. Nun werden einerseits Konsumenten über neue Vertriebswege angesprochen und andererseits stellt eine neue Technologie eine ehrliche Bedrohung für das „Brot und Butter“-Geschäft der Hersteller dar. Zu allem Überfluss noch gibt es in jüngeren Generationen ein neues Mobilitätsverständnis: Konsumenten nutzen immer mehr Carsharing-Angebote und Das Auto ist längst nicht mehr ein gefragtes Statussymbol, sondern ein notwendiges Übel, dass innerhalb eines breiten Mobilitätsmix eine untergeordnete Stellung einnehmen muss. Das vergleichsweise simple Modell „Auto verkaufen“ steht jetzt der Herausforderung gegenüber, an Fahrzeugstunden zu verdienen. Hier haben digital aufgestellte Unternehmen aber die Schlüsselkompetenzen.

Sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich ist nie die Digitalisierung alleine schuld. Sie fungiert aber als Katalysator, wenn sich Vertriebskanäle und Technologien rapide verändern. Wehe dem Unternehmen, dass sich in einem perfekten Sturm wiederfindet. Das Schiff durch diesen unbeschadet zu lenken, ist eine wahre Herkulesaufgabe.

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