in Entrepreneur Radar

Schon seit einiger Zeit wird im deutschen E-Commerce das Ende der vertikalen Geschäftsmodelle gepredigt. Stimmt das denn und wenn ja, was genau steckt dahinter? Um diese Entwicklung besser einzuordnen und zu beurteilen, werde ich in den nächsten Beiträgen einige der bekannten Unternehmen genauer in Augenschein nehmen. Kandidat eins ist für mich Windeln.de Schon seit der IPO bin ich kein großer Fan des Geschäftsmodells von Windel.de (paradoxer Weise allerdings durch meine Kinder dort Großkunde im Windelsegment).

Wie geht es windeln.de und wohin geht die Reise?

Schauen wir uns als die wichtigsten Aspekte an: 1. Finanzdaten, 2. Web-Analyse und 3. Gesamteinschätzung zur Marktposition.

Finanzen

Zur aller erst habe ich natürlich die Aktienkursentwicklung im Auge, von der man direkt ableiten kann, was der Markt denn eigentlich über das Unternehmen denkt. Bei Windeln.de ist das nur zu deutlich: Der Markt glaubt nicht mehr an das Unternehmen, nicht zuletzt sicher auf Grund steigender Verluste bei sich reduzierenden Umsätzen. Alle bisher genannten Restrukturierungsmaßnahmen scheinen auch keinen bleibenden Eindruck bei den Marktteilnehmern erzeugt zu haben.

Quelle: Finanzen.de

Diese Sicht wird durch die finanzielle Performance weiter verstärkt. Liest man sich ein wenig in die Zahlen, so wird ebenfalls deutlich, dass bei der Vorbereitung der IPO im Jahr 2014 und beim subsequenten Börsengang die wirklich positive Entwicklung von Windeln.de im Prinzip schon vorbei war.

Quelle: Finanzen.de

Neben den Umsatzeinbrüchen gab es außerdem erhebliche operative Probleme, vor allem was die Shop-Technologie angeht – als Kunde kann ich selber bestätigen, dass es bei Bestellungen immer wieder zu technologischen Problemen gekommen ist. Das Shopsystem wurde zwar Anfang des Jahres gewechselt, aber auch im weiteren Verlauf sieht es nicht so aus als ob die späte technologische Weiterentwicklung das Geschäftsmodell retten wird.

Quelle: 2016 Jahresbericht Windeln.de

Insgesamt ist es auch in der Jahresabschluss Präsentation 2016 ein schon sehr unterhaltsames und fast lustiges Zeichen, dass die Argumente für eine eigene starke Entwicklung nicht mehr existieren, dafür aber ein „gutes Margen-Potenzial“ über völlig fremde Geschäftsmodelle nachgewiesen wird. Zooplus als Vertical lasse ich grade noch gelten, und wir werden uns sicherlich in einem der nächsten Analysen Zooplus selbst als Geschäftsmodell noch einmal im Detail anschauen, aber Zalando als Vergleich ist albern. Weder hat Windeln.de auch nur im Ansatz die gleichen Skalierungsmöglichkeiten, noch kann es sich zu einer Plattform weiterentwickeln. Daher sicherlich ein relativ plumpes Manöver, um irgendwie eine gute Zukunft herzuleiten. Das Fernziel vom Break-Even in 2019 hört sich ebenfalls auch nur wie eine schöne Geschichte an, um die Investoren zu beruhigen. Für ein bereits an die Börse gebrachtes Unternehmen ist es schwer verständlich, warum die Investoren noch bis 2019 warten sollen, um ein Minimal-Ziel von Break Even zu sehen.

Web-Analyse

Wie hie schon öfter erwähnt, sollten auch Webdaten immer in eine Unternehmensanalyse mit einfließen. Gleich der erste Blick auf die Traffic-Zahlen zeigen, dass die Besucherzahlen gesamt bei Windeln.de beständig abnehmen. Dies kann an reduzierten Werbeausgaben liegen oder auch an anderen Faktoren.

Wie schon vorher von mir erwähnt kann man Windeln.de überspitzt auch ganz einfach einordnen als chinesischen Milchpulverhändler ist, der nebenbei ein bisschen Geschäft in Deutschland hat. Was spricht aus den Webdaten hierfür? Schaut man sich bei Similar Web die Weiterleitungen von Windeln.de an, dann ist hier klar zu sehen, dass im chinesischen Geschäft immer noch eine Menge Suchvolumen anfällt, welches dann auf die chinesischen Seiten weiterverlinkt. Die anderen Hauptweiterleitungen gehen an die regionalen Tochterunternehmen in Europa. Wenn also Nachfrage und Traffic parallel mit dem Umsatzeinbruch und Verlusten passiert, dann ist hier sicherlich die Kaufentscheidung des chinesischen Konsumenten ein wesentlicher Faktor. In den 2016 Jahresberichtsunterlagen werden Änderungen in der „Regulierung“ als Grund für das schwache Geschäft in China genannt. Hier hat das Unternehmen letztes Jahr reagiert und ist seitdem auch auf TMall aktiv.

Quelle: Statista

Auch die Umsatzzahlen zeigen die starke Abhängigkeit vom Geschäft in China (46% allen Umsatzes kommt aus China, versus 28% aus DACH) und zeigen klar, dass das Unternehmen in Deutschland keinerlei Wachstumsimpulse mehr hat (negatives Wachstum in 2016). Wenn also der deutsche Markt nicht mehr wächst und keine Profite erzielt, China schwächelt und die „Rest of Europe“ Kategorie nur durch Zukäufe wächst, dann ist klar, dass das Unternehmen mittel- und langfristig erhebliche Probleme bei der Geschäftsentwicklung haben wird.

Quelle: 2016 Jahresbericht Windeln.de

Marktposition

Die Gesamteinschätzung fällt hier also leider nicht positiv aus. Im Bereich Kinder & Toys kann das Vorzeigeunternehmen Windeln.de nicht mehr mithalten. Es bleibt abzuwarten, ob dieses spezifische vertikale Unternehmen einfach nur schlecht geführt wurde, oder ob dieser Markt am Ende auch von den Plattformen dominiert wird (was meine ganz starke Vermutung ist). Schaut man sich das Umsatz Ranking 2016 der 10 größten Unternehmen in der Produktkategorie an, dann wird knapp schon die Hälfte der Umsätze über Plattformen abgebildet. Daher sehe ich auch die anderen Mitbewerber in diesem Segment (wie z.B. Baby-Walz und mytoys) als akut bedroht an.

Die Zukunft der vertikalen Pure Player finde ich besonders spannend und diskussionswürdig und werde diese in weiteren Segmenten bewerten, wie zB Douglas, Zooplus und viele mehr…

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Showing 4 comments
  • Nils Seebach

    Hier eine spannende Zusammenfassung der neuesten Zahlen von Gründerszene – eine Verbesserung bzw. Änderung der Aspekte kann man leider auch nicht im Q12017 ableiten. https://www.gruenderszene.de/allgemein/windeln-de-hj-17-zahlen

  • Michael Gross

    Gute Analyse und treffende Schlussfolgerung! Die Plattformen werden sicher weitere Marktanteile gewinnen. Ich sehe die Zukunft in einer intelligenten Multi Channel Strategie – und da sind Online Pure Anbieter noch weit entfernt.

    • Nils Seebach

      Hallo Michael – danke für deinen Kommentar. Ich stimme mit der Kanal übergreifenden Strategie überein und habe mir in Portland den dritten Store von Amazon Books angeschaut und dokumentiert. Da hat man schon ein sehr, sehr gutes Beispiel wie die Online Pure Player den offline Bereich revolutionieren und neu denken. Wirklich super cool gemacht. Artikel dazu folgt.

      • Michael Gross

        Freue mich darauf!