Vor einiger Zeit habe ich einen spannenden Artikel von Johnson & Johnson als Veröffentlichung bei McKinsey gelesen. Hier beschreibt die Autorin, Gail Horwood – VP of worldwide digital strategy bei Johnson & Johnson – ihre Erfahrung bei der „Digitalisierung“ eines dezentral aufgestellten Konzerns. Ihre Erfahrungen überschneiden sich sehr mit den täglichen Problemen, die wir bei eTribes sehen. Viele Konzerne mit einem Brand Portfolio haben über Jahrzehnte einen internen „Wettbewerb“ zwischen den Brands entwickelt. Hier ist ebenfalls Beiersdorf ein gutes, lokales Beispiel. Die Über-Marke NIVEA erhält beim Aufbau der Brand alle Liebe der Welt während kleinere Brands wie z.B. Florena nur wenig Liebe und noch viel weniger Budget erhalten. Kann Florena sich aber mit bestimmten Kampagnen durchsetzen, wird dies als Erfolg gefeiert und eifrig von der „großen Schwester“ NIVEA kopiert – hier stellt sich die Frage, ob diese dezentrale Aufstellung wirklich sinnvoll ist oder ob nicht eigentlich Florena davon profitieren sollte so starke Schwesterbrands wie NIVEA zu haben. Wie wollen Akteure wie Beiersdorf jemals in der digitalen Welt erfolgreich sein, wenn sie nicht zentrale Systeme und Entscheidungen bei allen Brands einbringen können? Bei Johnson & Johnson wird das Problem ähnlich dargestellt:
„In the past, the model might have been that our biggest brands had the most budget and developed the most robust platforms. And smaller brands had less robust digital footprints because they had to build that on their own power. Yet when you share a platform, any brand small or large can benefit from improvements. What this has enabled us to do is to bring the same power that one of our biggest, most iconic brands has to one small brand in a very particular region or market. And that, of course, enables us to innovate very quickly and iterate.“
Hier wird durch die Autorin auch gleich das Potential einer erfolgreichen Digitalisierung für einen Konzern gut zusammengefasst. Durch das Aufstellen und Hebeln einer zentralen Digitalstrategie kann das gesamte Portfolio erheblich gestärkt werden. Dafür muss aber nicht nur eine zentrale Digitalstrategie in Einklang mit technischen Voraussetzungen gebracht werden, sondern es muss auch kulturelle Anpassungen innerhalb des Konzerns geben. Das Risikobewusstsein und vor allem der Umgang mit auftretenden Problemen muss von Risikovermeidung hin zu einem schnellen Umgang mit problematischen Entwicklungen umgestellt werden. Social Media wird auch hier von ihr als Beispiel genannt. Wenn man auf Social Media Kanälen aktiv ist, passieren immer wieder Unfälle wie z.B. „Re-Civilice Yourself“ Kampagne von NIVEA. Hier wurde bei NIVEA offensichtlich im wahrsten Sinne des Wortes der Kopf ausgestellt, bevor mit einem leicht als rassistisch empfundenen Kampagnenbild losgelegt wurde. Was hierbei aber besonders war ist der Einsatz der Social Media Kanäle, um diese PR Krise zu bewältigen und mit Konsumenten in einen Dialog einzutreten. Hier ist dieser Fall sicherlich eine Case Study für die sehr gelungene Krisenbewältigung eines PR-Problems mit der Nutzung von digitalen Kanälen. Daher sicherlich ein gutes Beispiel für das neue Risikobewusstsein das Konzerne entwickeln müssen. Reines Vermeiden funktioniert nicht aber das reagieren auf Probleme muss genau vorbereitet sein.
Weiterhin wird in dem McKinsey Artikel das Messen von Zielen, Daten und Erfolgen/Misserfolgen durch Benchmarking thematisiert. Auch dies ist ein wichtiger Punkt. Viel zu oft werden digitale Projekte vorangetrieben, weil „Digital“ grade auf Führungsebene gewünscht wird – nicht weil es betriebswirtschaftlich Sinn macht. Dies ist immer eine sehr, sehr schlechte Entscheidung und vernachlässigt den wichtigsten Aspekt der Digitalisierung: jede Entwicklung im digitalen Umfeld ist geprägt durch den Umgang mit Daten und dies sollte immer bei der Projektplanung beachtet werden! eTribes hat hierfür eine kleine Matrix entwickelt, die wir bei allen Projekten ansetzen. Basierend auf 4 Fragen kann man relativ gut abschätzen, ob und wie ein Projekt strukturiert werden sollte.
Gibt es ein relevantes Ziel?
Diese Frage wird sehr oft nicht gestellt. Bei digitalen Maßnahmen geht es nicht um das reine tun, sondern um eine Aktion die ein klares Ziel hat. Oft werden einfach „digitale“ Projekte umgesetzt, weil interne Entscheidungsträger politische Ziele verfolgen oder einfach nur blanker Aktionismus und Angst vorherrschen. Auch im digitalen Bereichen müssen Ziele klar erkennbar und vor allem definiert und messbar sein. Nur weil so manch ein US Unternehmen an die Börse geht ohne ein wirkliches „Monetarisierungsmodell“ zu haben, ist das keine Entschuldigung für Aktionismus.
Kann es gemessen werden?
Wie genau messe ich die Erreichung oder nicht Erreichung des Ziels? Alle reden immer von Big Data aber so wirklich verstanden, was dahinter stecht hat keiner so richtig. Ich übersetze mir den Begriff ganz einfach – alles handeln im digitalen Rahmen sollte auf der Messung von Daten basieren – ob es jetzt wenig („Little Data?“) oder sehr viele Daten sind („Big Data“) ist erst einmal völlig egal. Hauptsache Daten, die eine genaue Messung eines Zielkorridors ermöglichen, werden erhoben und verwertet.
Gibt es eine bessere Option?
Auch hier erleben wir immer wieder Aktionismus vor klarer betriebswirtschaftlicher Kalkulation. Oft sind digitale Projekte – oder noch viel schlimmer – digitale M&A Aktionen sehr, sehr teuer. Hier stellt sich die Frage, ob analoge Ideen oder die Entwicklung von alternativen digitalen Optionen nicht einen wesentlich besseren ROI ermöglichen. Daher hier noch einmal genau prüfen, ob andere Projekte mehr Sinn ergeben.
Können Sie es managen?
Oft werden hier Agenturen beschäftigt die aus dem Konzern heraus nicht effektiv gesteuert und kontrolliert werden. Dies führt oft zu sehr guten Agenturmargen und sehr, sehr schlechten Ergebnissen für den Kunden. Hier sollte sichergestellt sein, dass Mitarbeiter nicht digitale Projekte nebenbei noch mitmachen, sondern ihren vollen Fokus auf das Projekt legen können.
Anhand dieser simplen Schritten könnten Konzerne bei der Digitalisierung viele Probleme vermeiden und Ressourcen im erheblichen Umfang einsparen.
Es bleibt also spannend, wie viele Konzerne dem Beispiel von J&J folgen werden und ihr Geschäft nachhaltig digitalisieren.