Im spannenden Podcast-Gespräch zwischen Alexander Graf und Florian Heinemann auf Kassenzone.de wird ein interessanter Punkt genannt: Florian geht darauf ein, dass bei digitalen Firmen eine neue Art des „Controlling“ für Konzerne notwendig ist. Hier führt er das Beispiel AboutYou an und macht deutlich, dass Konzerne für digitale „Start-Ups“ bzw. für digitale Geschäftsmodelle eine neue Art des Controllings entwerfen müssen. Hier stellt sich die Frage, wie dieses neue „Controlling“ denn aussehen sollte und was mit der alten Art des Controllings jetzt falsch läuft.
Soll-Ist-Vergleich – im ersten Schritt immer eine super Controllingmaßnahme. Mit dem Management Team wird ein Business Plan erstellt und diesen kann man nun gegen die wirklich erreichten Umsatz- und Kostenzahlen abgleichen. Im ersten Schritt schon einmal eine gute Idee, aber nur, wenn man auch wirklich die Hebel eines Models versteht. Denn grade hier sind im digitalen Zeitalter viele Fallstricke versteckt. Als Controller muss ich ja einerseits den Anspruch haben zu verstehen, wie die Entwicklung des Unternehmens laufen aber ich muss auch verstehen, ob sich ein Modell „gut“ oder „schlecht“ entwickelt. Bei den meisten E-Commerce Modellen helfen da Benchmarks und vorgeschriebene Wachstums- und Profitabilitätsindikatoren innerhalb eines Konzerns gar nicht. Das Wachstum wird nämlich deutlich darüber liegen und Profitabilität ein sehr, sehr fern liegendes Ziel sein. Daher muss auch bei einem Soll-Ist Vergleich nicht nur ein Abgleich der Daten durchgeführt werden, sondern auch ein Benchmarking innerhalb des jeweiligen Marktsegments. Beim Thema Wachstum ist es ein relativ einfaches Beispiel – hat man zum Beispiel ein Amazon Projekt vor sich und dort ist eine Wachstumsrate von 15% angegeben, dann wird im durchschnittlichen Konzerncontrolling sicherlich ein dicker, grüner Hacken mit Sternchen dran gesetzt. Wenn man aber davon ausgeht, dass Amazon in der Kategorie mit 30% pro Jahr wächst, dann ist die Entwicklung sehr unterdurchschnittlich und es gehen konstant Marktanteile verloren. Hier muss ein Controller eingreifen und den Grund für das mangelhafte Wachstum herausfinden.
Ebenfalls sollte beim Controlling die Kosten-Umsatz-Relation verglichen werden. Wie teuer ist die Kundenakquise in der Industrie bzw. bei vergleichbaren E-Commerce Unternehmen? Hiermit können gezielt Wachstum und Ausgaben in Relation gebracht werden und somit die Effizienz des Unternehmens bei der Nutzung von Werbebudgets gezielt untersucht werden. Neben einem Wachstum das wenigstens dem Marktwachstum entspricht, sind die Controllingaufgaben rund um die Marketingkosten mit Abstand der wichtigste Aspekt bei der Kontrolle von digitalen Geschäftsmodellen.
Die Begriffe Sistrix, Google Analytics und andere Firmendatenbanken sollten ebenfalls von Controllern nicht als Fremdworte gebraucht werden. Ein Controlling, dass sich auf historische Zahlen und nicht auf die Werte in Echtzeit bezieht, ist ungefähr so nützlich wie die Autopsie bei der Behandlung eines Kranken. Am Ende weiß man genau was die Krankheit war aber der Patient ist leider tot. Daher müssen gerade die Software, Anwendungsgebiete und Analysemöglichkeiten von digitalen Datenquellen von Controllern beherrscht werden.
Der letzte wichtige Punkt beim operativen Controlling hat mit dem Faktor „Mensch“ zu tun. Die meisten Geschäftsmodelle sind davon abhängig, dass das richtige Team dahinter steht. Daher sollte Mitarbeiterzufriedenheit und vor allem Mitarbeiterwechsel innerhalb des Unternehmens immer eng kontrolliert werden. Nur wenn die Mitarbeiter längerfristig beim Unternehmen bleiben, kann die Produktivität durch Lernerfahrungen immer stärker optimiert werden. Gerade hier kann eine abnehmende Mitarbeiterzufriedenheit schnell auf Probleme in einzelnen Abteilungen hinweisen.
Aus Konzernsicht können mit den oben genannten Aspekten die operativen Themen eines Geschäftsmodells deutlich genauer beleuchtet werden. Aus Sicht einer Beteiligungsholding sind die oben genannten Punkte ebenfalls extrem relevant. Ein strategisches oder auch ein Finanzinvestment sollte auf genau dieser Detailtiefe von einem Controller mit starken Online Marketing-Kompetenzen geprüft werden. Es überrascht mich, wie viele Family Offices und Private Equity Funds weiterhin ein veraltetes Controlling-Konzept auf ihre neuen, digitalen Geschäftsmodelle drücken – hier wird viel Wert auf die M&A Fähigkeiten gelegt, aber wenig auf das operative und vor allem digitale Know-How.
Neben dem oben genannten operativen Controlling kommt bei einem Finanz-/Family Office Investor nämlich noch die Marktkompetenz hinzu. Nicht nur muss das einzelne Investment eine vernünftige operative Leistung erzielen, sondern es muss sichergestellt werden, dass das Unternehmen sich im richtigen Markt bewegt. Was genau ist damit gemeint? Dafür war die NOAH 2017 in Berlin und die parallel laufende K5 Konferenz von Jochen Krisch ein gutes Beispiel. Die Hälfte der Maßanzug-tragenden Finanzjongleure hätten sich lieber auf der K5 über Markttrends und tatsächliche operative Erfahrungen von Unternehmen aufschlauen sollen als sich gegenseitig zu bestätigen wie toll sie sind und andächtig dem „Olli“ zu lauschen. Das restliche Programm bei der NOAH bestand weiterhin aus Werbevorträgen zahlreicher Unternehmen die auf Kapitalsuche sind. Sicherlich spannend aber für Weiterbildungszwecke völlig ungeeignet. Denn die Frage, ob die eigenen Investments im richtigen Markt liegen, werden auf der NOAH meist mit „Mensch, Matratzen sind ja so ein heißes Thema – lass mal noch ein Investment bei Matratzen machen – das machen alle!“ beantwortet, während auf der K5 in wesentlich fundierteren Gesprächen die Probleme und Maßnahmen von E-Commerce Unternehmen besprochen werden. Daher ist es auch hier wichtig, sich tiefergehend mit Märkten auseinanderzusetzen und nicht den Investment-Trendthemen zu folgen. Viel Spaß beim Controlling!
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