Gestern war ein Tag spannender Nachrichten. Gleich morgens beim Kaffee ging es los mit einer spannenden E-Mail von Amazon-Deutschland-Chef Ralf Kleber zur ersten Amazon-Bestellung hierzulande an diesem Tag im Jahr 1998: Viel ist seitdem passiert. Amazon hat nicht nur eine beachtliche Börsenentwicklung hingelegt, sondern auch das Leben von vielen Menschen völlig verändert. Sei es der Paketbote, der Lagerarbeiter im Logistikzentrum, der Angestellte im stationären Geschäft oder – und hier oft in einer Doppelrolle – der Endkunde, der eine (nicht nur, aber ganz besonders für Deutschland) neue Service-Welt kennenlernen konnte: Es fing an mit den englischen Büchern, die auf einmal ganz einfach bestellbar wurden! Dann kamen leicht zugängliche Filme in der Originalfassung, Server-Space und die kostenlose Lieferung bis zur Haus- bzw. Wohnungstür…
Nachdem ich nun in Ruhe diese längere Nachricht durchgelesen und mir den zweiten Kaffee geholt hatte, habe ich Spiegel.de geöffnet und wurde mit dem Schicksal von US-Retailkette Sears konfrontiert – ein Schicksal, das einem noch einmal mit Nachdruck vor Augen führt, wie der stationäre Handel in seiner jetzigen Form ans Ende gelangt ist. Denn die immer neuen Rettungsversuche von Sears, Karstadt, Kaufhof und wie die vormals dominanten Giganten des Einzelhandels alle hießen sind schlicht und einfach nicht umsetzbar. Durch die trotz dieser Tatsachen ständig angestrebte Wiederholung gewinnen die „neuen Konzepte“ um „Kunden zurück in die Läden zu bringen“ und „Tradition wiederaufleben zu lassen“ sogar was tragikomisches. El coronel no tiene quien le escriba. Wem die Werke von Gabriel García Márquez geläufig sind, fühlt sich zwangsläufig erinnert an den Oberst, der niemand hat, der ihm schreibt. In der bekannten Kurzgeschichte wartet ein verarmter Kriegsveteran seit 15 Jahren auf die amtliche Bestätigung einer Pension, die er trotz Anträge und Vorsprachen nicht bekommt und nie bekommen wird.
Was ist denn aber eigentlich meine Lektion aus den letzten 11 Jahren? Die Verdienste von Vorgestern sind leider dem Kunden von heute egal. Wie immer ist es sinnvoll, hier den 1999 Investoren-Brief von Jeff Bezos zu lesen – unabdingbarer Kundenfokus ist die Seite, die immer gewinnen wird. Daher kann man nur empfehlen, keinem der mannigfaltigen Selbstbetrugsversuche des stationären Handels Glauben zu schenken.
Hier ist Click-&-Collect wie immer mein Lieblingsbeispiel: Das Konzept kombiniert das Schlechte aus zwei Welten (nicht anfassen können und dann noch in den Laden laufen müssen!). Von skrupellosen Beratern lässt es sich zwar leicht als Hoffnungsvision verkaufen, ist aber blöderweise nicht aus der Sicht des Kunden gedacht und stellt somit keine Möglichkeit dar, sich für die Zukunft aufzustellen. Es wird auch nicht ausreichen, einen Paketkasten im Laden einzurichten und zu hoffen, dass der Kunde noch etwas mitnimmt. Jede Handlung und jede Investition muss nützlich für den Kunden sein und dann wird man zusammen mit den neuen Technologieunternehmen wie Amazon auf der Gewinnerseite der Digitalisierung stehen können.
Oder man zieht sich in Fantasien zurück und wartet jeden Morgen beim Kaffee auf den Briefträger. Doch gibt es weiterhin keine Post für den Oberst! Und ich muss jetzt los.
P.S.: Und heute folgt dann umgehend C&A: C&A entlässt vier der sieben Vorstände
Sehr schöne & treffende Analogie die du da gewählt hast! =)