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Ist Zooplus das Zalando des Heimtierbedarfs?

Schon seit einiger Zeit wird im deutschen E-Commerce das Ende der vertikalen Geschäftsmodelle gepredigt. Stimmt das denn und wenn ja, was genau steckt dahinter? Um diese Entwicklung besser einzuordnen und zu beurteilen, nehme ich regelmäßig vertikale sogenannte Category Leader im deutschen E-Commerce genauer in Augenschein. Nach Windeln.de und Douglas schauen wir uns heute Zooplus als europäischen Category Leader im Heimtierbedarf an.

Spätestens nach seinem Halbjahresbericht ist wohl klar, dass Zooplus dieses Jahr als zweiter deutscher Onlineshop die Umsatzmilliarde knacken wird. Das ist doch die perfekte Gelegenheit, sich das Unternehmen mal genauer anzuschauen. Hat Zooplus Potential, das Zalando der Heimtierwelt zu werden? Und hat Zooplus langfristig eine Chance gegen Amazon Fresh?

Ganz kurze Intro mit ein paar Eckdaten:

  • 1999 gegründet, 2008 dann der Börsengang
  • 400 Mitarbeiter, 4,8 Mio Kunden, 8.000 Produkte
  • €909 Mio europaweiter Umsatz in 2016
  • Zweistellige Wachstumsraten in allen 30 Ländermärkten

Finanzen

Steigen wir mal direkt in die Performance der Aktie ein, die einen guten Eindruck vermittelt, wie der Markt das Unternehmen bewertet.

Seit Börsengang 2008 hat die Aktie stark gewonnen und heute wird Zooplus vom Markt mit € 1,05 Mrd bewertet. Schaut man allerdings etwas genauer, fällt sofort auf, dass der Kurs seit Anfang des Sommers deutlich abgeschmiert ist. Noch im Mai hatten Analysten Zooplus und sein Geschäftsmodell gefeiert und den Zielwert auf 230 Euro je Aktie prognostiziert. Heute liegt der Wert bei 147 Euro.

Hier die Aussage von JP Morgan:

JPMorgan-Analyst Borja Olcese sprach in seiner Studie von einem Geschäftsmodell, das den Markt aufmische. Der Online-Händler für Tierbedarf agiere in einem Umfeld, das vom Internet-Handel kaum durchdrungen und von „strukturellen Verlierern“ geprägt sei. Diese Nische sei nicht nur wachstumsträchtig, sondern erfordere auch nur geringe Investitionen. Er sieht daher in der Aktie eine langfristig vielversprechende Anlage und nahm ihre Bewertung mit „Overweight“ und einem Kursziel von 230 Euro auf. Damit sieht er mittelfristig noch 18 Prozent Kurspotenzial.

Über die 200 Euro Aktienwert schaffte Zooplus es aber bisher nicht. Nach dem Reporting des Halbjahresergebnisses ging es richtig bergab. Und das obwohl die Umsatzprognose für 2017 deutlich bestätigt wurde. Anscheinend hatten Analysten hier mehr erwartet. Warum konnte Zooplus die Erwartungen nicht erfüllen? Das Unternehmen nennt unter anderem den Brexit als Grund. Wie viel da nun aber wirklich am Brexit lag und wie viel an anderen Branchennews im Lebensmittelbereich ist schwer zu sagen. Und vor allem die Einschätzung des Analysten, die Branche koste online nur geringe Investitionen kann ich überhaupt nicht bestätigen. Das klingt für mich sehr wie E-Commerce Wissen aus den frühen 2000ern, als noch Wildwest Stimmung herrschte und man mit etwas Tech-Wissen und ein paar Zehntausend Investment einen Shop aufbauen konnte. Das sieht heute ganz anders aus. Nur wenige Modelle schaffen es, profitable Modelle aufzubauen und gerade die klassischen Pure Player haben hier Herausforderung, da die Abhängigkeit vom Onlinemarketing die Kosten langfristig hoch hält. Aber zurück zur Analyse von Zooplus. Schauen wir mal auf die Financials.

Bereits 2014 prognostizierte Zooplus die Umsatzmilliarde für 2017. Unter dem Titel Zooplus hat keine Angst vor Amazon hieß es: “Unsere mittelfristige Unternehmensstrategie beinhaltet eine Verdopplung der Gesamtleistung auf 1,1 Mrd. Euro bis 2017.” Auch die heutige Prognose sieht die 1,25 Mrd Euro bis Jahresende vor. Alles paletti also, oder?

Das Wachstum ist zweistellig, auch in den 26% Umsatzanteil, die im deutschen Markt erzielt werden. Knapp 10% des Umsatzes werden aus Eigenmarken erzielt und die kommunizierte Kundenloyalität von 94% scheint für einen Pure Player unglaublich hoch. Die Kohortenanalyse bestätigt eine starke Kundenbindung. Erstkunden sind zu 83% auch im 2. Jahr noch aktiv (auf Umsatzbasis), langjährige Kunden erhöhen den Umsatz minimal, was auf Gesamtkohortenbasis schon sehr spannend ist.

Und wie sieht es mit Neukundengewinnung aus? Auch hier sind die Zahlen zumindest nicht schlecht, mehr als 200 Mio Euro pro Jahr kommen an frischem Umsatz hinzu. Ob das Wachstum allerdings reicht, um bis 2020 auf den geplanten 2 Mrd Euro Umsatz zu landen finde ich fraglich.

Die jüngste Prognose des Unternehmens bestätigt das Umsatzziel 2017 weiterhin, geht allerdings gleichzeitig von stark verringertem Gewinn aus. Statt 22 Mio Euro soll der Gewinn sich 2017 im einstelligen Millionenbereich bewegen. Der Grund? Vermehrtes Investment in die Neukundengewinnung. Einige Analysten kaufen das Zooplus auch ab und machen sich weder um die gleichbleibenden Umsatzprognosen (bei mehr Investment in Wachstum) und um die Margen nicht wirklich Sorgen:

„Da Amazon jedoch keinen starken Fokus auf das Segment legt, könnte der Wettbewerb bald wieder nachlassen“, sagt Andreas Riemann von der Commerzbank. Dann würde die Marge bei zooplus auf höhere Niveaus zurückklettern.

NTV hatte zum Halbjahresbericht außerdem „Anlaufkosten für neue Lager und zusätzliche Personalkosten” als Grund für den stagnierenden Gewinn berichtet.

Seit 2013 ist Zooplus profitabel. Der Vorsteuerertrag von 2% in 2016 zeigt allerdings auch, dass der Onlinehändler auf enge Margen setzt und so agressiv wie möglich auf Wachstumskurs setzt. Die Strategie kennen wir doch? Genau, von Amazon! Die agressive Preisstrategie fährt Zooplus schon seit langem und rühmt sich mit effizienten Kostenstrukturen und Economies of Scale.

Die Wachstumsstrategie erinnert auch wieder sehr stark an die Strategie eines bekannten Marktteilnehmers.

   

Ein klassisches Monopolverhalten, um Konkurrenten zu verdrängen also. Ist Zooplus somit quasi der Amazon des Heimtierbedarfs? Darauf gehe ich gleich nochmal ein. Aber erst einmal zur Webperformance.

Webanalyse

Similarweb gibt uns da folgende Einblicke, hier im Vergleich zu Fressnapf: Der Traffic scheint zu stagnieren, allerdings weniger als bei Fressnapf (gelb):

Wenn man den Zahlen von Similarweb trauen kann, kommt der Haupttraffic auf Suchbegriffe zur Händlermarke, was von einer guten Markenerkennung zeugt.

Hier also keine besonders spannenden Insights, aber der stagnierende Traffic sieht nicht vielversprechend aus.

Markt und Positionierung

Der Heimtiermarkt (nach Aussagen von Zooplus 26 Mrd Euro groß) setzt seine Euros erst zu 7-8% online um. Dass Zooplus hier aktuell unangefochtener Marktführer ist, ist eindeutig. Diese Größe sieht der Händler auch als deutlichen Erfolgsfaktor:

“Kleinere Anbieter können mit aggressiven Preisen oder spezialisierten Angeboten noch immer gut Neukunden gewinnen und um Marktanteile kämpfen, langfristig gehen wir aber davon aus, dass Größe ein entscheidender Erfolgsfaktor ist, es geht im E-Commerce um Skalierung und Kostenvorteile durch Größe.”

Das halte ich für Quatsch. Auf Größe als Wettbewerbsvorteil haben sich schon andere ausgeruht. Wo ist denn da der Fokus auf den Kunden?

Kundenorientiert gibt sich Zooplus immerhin auf Contentseite mit Foren, Communities und ZooClub. Hier können sich Tierliebhaber über Ernährung, Erziehung (so sagt man das doch sicher heute, oder?) und die großen und kleinen Wehwehchen ihrer Lieblinge austauschen. Das ist ganz sicher ein gutes Kundenbindemittel, allerdings frage ich mich, wie lange das hält, wenn die selbe Bestellung von dem forum aus auf amazon.de eben genauso 1-2 Klicks entfernt ist wie die auf zooplus.de.

Aber gut, vielleicht ist ja neben Amazon auch noch Platz im Markt. Der wächst zwar nur 2-3%, aber ist online noch deutlich unterbedient. Die stationären Händler tun sich hier extrem schwer. So setzt beispielsweise Fressnapf nur einen Bruchteil seiner 1,9 Mrd Euro Umsatz online um. Zooplus dürfte also Fressnapf bald auch im Gesamtumsatz überholen. Amazon selbst soll ca 200 Mio Euro Umsatz im Heimtierbereich umsetzen. Heißt das, sie sind also nicht wirklich ernst zu nehmen? Aus meiner Sicht nicht. Denn weder in Preis, noch Verfügbarkeit, noch Auswahl (Amazon Fresh hat allein 11.000 Artikel im Bereich Heimtiere, gegenüber 8.000 bei Zooplus) kann Zooplus sich gegenüber Amazon behaupten. Und ich sehe bei Zooplus keine nachhaltigen Strategien, den Kundenzugang zu sichern. Sich da bequem in der Fachhändlerrolle ausruhen wird aus meiner Sicht nicht lange gut gehen.

Zwar bietet Zooplus auch ein Futterabo, aber auch hier sehe ich zu Amazon Fresh keinen klaren Kundenvorteil. Da kann sich Zooplus den Start von Amazon Fresh noch so schön reden:

“Amazon Fresh wird aber dazu führen, dass noch mehr Kunden die Vorteile des Online-Shoppings erkennen und dann auch die Vorteile eines spezialisierten Online-Geschäfts wie Zooplus nutzen.”

Ist Raum für einen Fachhändler neben Amazon? Sicher. Aber ohne klaren Kundennutzen gegenüber Amazon wohl nicht mit dem Skalierungspotential, das man sich als Category Leader wünscht. Und von der Hoffnung, dann eben die Nicht-Amazon-Kunden abzufangen, halte ich auch nichts. Denn bekanntlich kaufen Kunden, die Amazon doof finden, ja trotzdem dort.

Das größte Problem sehe ich also bei Zooplus darin, dass sich in der offengelegten Strategie alles bloß um Kostenführerschaft dreht. Economy of scale, Effizienz, Kostenstruktur sind die Buzzwörter der Unternehmenspräsentationen. Das ist aus meiner Sicht einfach zu schwach. Wo ist denn da der Kunde und sein Kaufverhalten? Wachstum und die hervorragenden Retention Rates bescheren sicher die nächsten Jahre weiter Wachstum, aber Preisführerschaft allein wird in 5+ Jahren nicht mehr reichen, um gegen Amazon zu bestehen, geschweige denn zu wachsen.

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