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Crypto Währungen sind in aller Munde. Blockchain ist das neue Hype-Thema überhaupt und lässt jeden Fintech-Investoren voller Freude strahlen. Fast täglich kommen neue Anfragen über Social Media „wer kennt denn einen Blockchain Experten – ich hätte da mal eine Frage“. Alles gut und schön und sicher werden nach der Abreise der Glücksritter zum nächsten Trendthema (Facebook Anfrage: „Kenn da mal jemand Artifical Intelligence Bots mit Virtual Reality Kapazitäten für Voice Apps?“) zahlreiche Unternehmer gute und erfolgreiche Geschäftsmodelle zu diesem Thema bauen. Der momentane Hype rund um Bitcoin und andre Cyberwährungen lässt es mir aber kalt den Rücken runterlaufen: die Anzahl der Glücksritter, die über (meist illegale Wege) mit diesem Thema Geld verdienen, eine völlig unfähige Regulierung von der staatlichen Seite (wer zahlt eigentlich Steuern auf Einkommen bzw. Spekulationsgewinne von Bitcoin? – niemand! Genau!), und eine immer deutlicher erkennbare Spekulationsblase.

Das lässt mich spontan an Tulpen denken, das Objekt der Begierde in der ersten dokumentierten Spekulationsblase:

Tulpen waren seit ihrer Einführung in die Niederlande in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Liebhaberobjekt. Sie wurden in den Gärten der sozial gehobenen Schichten des gebildeten Bürgertums, der Gelehrten und der Aristokratie kultiviert. Zu den auf Tauschhandel gegründeten Beziehungen dieser Liebhaber kam zum Ende des 16. Jahrhunderts der kommerzielle Handel mit Tulpen hinzu. In den 1630er Jahren steigerten sich die Preise für Tulpenzwiebeln auf ein vergleichsweise extrem hohes Niveau, bevor der Markt zu Beginn des Februars 1637 abrupt einbrach.


Bei einer der regelmäßigen Wirtshausversteigerungen konnte keine der angebotenen Tulpen zu dem erwarteten Preis verkauft werden. In den nächsten Tagen brach dann in den gesamten Niederlanden der Tulpenmarkt zusammen. Das System des Handels funktionierte nur so lange, wie die Händler mit steigenden Preisen und der Option rechneten, dass ein Käufer bereit wäre, die reale Tulpenzwiebel zu erwerben. Als sich keine neuen Käufer fanden, die in die Preisspirale einsteigen wollten, fiel der Wert von Tulpen um geschätzt mehr als 95 Prozent. Am Ende der Spekulationsblase fanden sich Händler mit Verpflichtungen, Tulpenzwiebeln im Sommer zu einem Preis weit über den aktuellen Marktpreisen zu erwerben, während andere Marktakteure Tulpenzwiebeln verkauft hatten, die nur noch einen Bruchteil des Wertes besaßen, für den sie ihnen abgekauft wurden.

Was können wir von den Tulpenhändlern des 16. Jahrhunderts lernen? Ganz einfach: Tulpen sind nur so lange ein Spekulationsobjekt, wie „die Händler mit steigenden Preisen und Optionen rechnen“. Bitcoin und andere Cyber-Währungen sind am Ende auch nur ein Spekulationsobjekt wie Gold oder Silber. Es gibt hier sogar nur eine „Miene“ und jeder mathematisch begabte (und informierte) Mensch weiß, wie viele Bitcoin im Umlauf sind und wie viele dazukommen werden. Es gibt aber keinerlei realwirtschaftlichen Bezug oder eine zentrale Institution (Notenbanken, Regierungen, etc.), die sich wirklich um die Steuerung bzw. das Schicksal der Währung kümmern. Es beruht lediglich darauf, dass Spekulanten immer noch einen weiteren Dummen finden, der ihnen die Bitcoins/Tulpenzwiebeln zu einem höheren Preis abkauft. Die technischen Möglichkeiten zum Aufbau von Schneeballsystemen und das Auffinden des „weiteren Dummen“ online sind durch Bots und den gezielten Einsatz von Software natürlich um ein Vielfaches spannender und effektiver als der Tulpenhandel vor 400 Jahren, aber in der Sache doch das Gleiche.

Die Anzeichen einer völligen Überhitzung und absurden Marktverwerfungen, die schnelle Auswirkungen haben, werden immer zahlreicher. Der kurzfristige Flash-Crash von Ethereum  von $320 auf 10 Cents in kürzester Zeit ist ein gutes Beispiel dafür, dass hier Spekulanten am Werk sind und was passiert wenn der „nächste Dumme“ nicht zur Verfügung steht und die technologie-basierten Spekulationsmechanismen an ihre Grenzen kommen. Dann bricht diese Währung auf fast 0 zusammen und viele Spekulanten verlieren viel Geld.

[…] one investor placed a multi-million dollar Ethereum „sell“ order at 12:30 p.m. on Wednesday. The size of the order caused the price of the currency, which is already volatile, to dip. Things started to go really haywire, however, as the price dip triggered a series of stop loss orders.“This slippage started a cascade of approximately 800 stop loss orders and margin funding liquidations, causing ETH to temporarily trade as low as $0.10,“ White explained.

Wahnsinn.

Wer einmal ein bisschen Zeit auf Google verbringt (siehe Screenshot) kann schon sehen, dass (wie bei jedem Goldrausch) die Schaufelverkäufer schon auf die vielen Glücksritter warten.

 

Auch Argumente wie „es gibt sogar Bitcoin Geldautomaten“ sind zwar nett aber auch in Venezuela gibt es noch Geldautomaten aber die Währung ist halt nichts mehr Wert. Nur weil ein Cyperelement in der „echten“ physischen Welt angekommen ist, wird ein Investment dadurch nicht wesentlich sicherer oder relevanter.

Daher meine Meinung – Finger weg von Cryptowährungen und einfach noch ein paar Jahre warten, bis die Glücksritter weitergezogen sind und vernünftige Unternehmer alltagstaugliche Anwendungsfälle für Blockchain und „cyber“ Währungen gefunden haben. Für den alltäglichen Gebrauch ist in diesem Markt grade zu viel heiße Luft unterwegs.

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  • Stefan Berkenhoff

    Schöner Artikel, Nils. Du fasst einen Verdacht, den ich schon einige Zeit hege, in den richtigen Worten zusammen. Diese Bitcoin-Wellte wird gerade noch sehr hart geritten (http://t3n.de/news/lieferando-fuehrt-zahlung-per-bitcons-ein-835946/) und bestimmt noch ein paar Monate halten. Aber ich sehe auch den Beitrag im ZDF heute Journal Juni 2018 bildlich vor mir, in dem mit dem „Das-mit-dem-Internet-wird-sich-nicht-durchsetzen-Unterton“ und schlecht versteckter Häme der Crash von Bitcoin dem gealterten Publikum erklärt wird.

  • Martin

    Hallo Nils, gibt es denn – Blase hin oder her – keine Software, die mehr Optionen beim Traden zulässt? Zum Beispiel flash crashes am Zeitablauf erkennt und den stop loss dann nicht ausführt? Und dann idealerweise automatisch für 10 Cent nachkauft? Das wäre doch schön 🙂

    • Nils Seebach

      Hallo – das gibt es auf jeden Fall – den Spekulanten sollen ja keine Hürden in den Weg gelegt werden 🙂